INTERVIEW
„Die Radiologie kann bestimmte Erkrankungen der Ohren mit hoher Sicherheit feststellen“
Erkrankungen der Ohren sind in der Bevölkerung weit verbreitet. Allein an Tinnitus erkranken jährlich rund 340.000 Bundesbürgerinnen und Bundesbürger, knapp 19 Millionen haben diese Ohrgeräusche bereits erlebt. Doch auch andere Ohrenleiden kommen häufig vor. Wie tragen bildgebende radiologische Verfahren zur Erkennung und Therapie dieser Krankheiten sowie einer guten Versorgung Betroffener bei? Das haben wir Prof. Dr. Mathias Cohnen gefragt. Professor Cohnen ist Chefarzt am Institut für Klinische Radiologie des Rheinland Klinikums Neuss GmbH Lukaskrankenhaus und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Kopf-Hals-Radiologie in der Deutschen Röntgengesellschaft.
Prof. Dr. med. Mathias Cohnen © Rheinland Klinikum Neuss GmbH Lukaskrankenhaus Professor Cohnen, Patientinnen und Patienten, die etwa Probleme mit dem Hören oder dem Gleichgewichtssinn haben, müssen manchmal auch radiologisch untersucht werden. Wie sehen solche Untersuchungen genau aus?
Professor Cohnen: Veränderungen des Hörens und auch des Gleichgewichtssinns, die oft eng miteinander zusammenhängen, können HNO-Ärzte zunächst direkt und oft mit einfachen Mitteln am und mit dem Patienten untersuchen. Die Radiologie kommt im Rahmen einer Ausschlussdiagnostik zum Tragen: Hör- und Gleichgewichtsorgane sind im Innenohr im sogenannten Schläfenbein an der Schädelbasis lokalisiert. Die Radiologie kann aber auch bestimmte Erkrankungen der Ohren mit hoher Sicherheit feststellen. Zum Beispiel sind Innenohrentzündungen oder seltene Tumoren am Innenohr, die bei der körperlichen Untersuchung kaum zugänglich sind, mit der Computertomografie, also der CT, oder der Magnetresonanztomografie, der MRT, gut erkennbar. Diese Erkrankungen können zum Beispiel auch einen Tinnitus verursachen. In den allermeisten Fällen findet sich jedoch mit der Bildgebung kein erkennbarer Auslöser, weil die den Symptomen zugrundeliegenden Ursachen funktionell bedingt sind und sich nicht in unseren Bildern niederschlagen.
Wo kommen im Bereich des Hörens radiologische Untersuchungen noch zum Einsatz?
Die Untersuchung in der „Röhre“ ist auch dann von großer Bedeutung, wenn – meist bei Kindern – nach möglichen angeborenen Veränderungen des Hörorgans gesucht wird. In diesen Fällen sind hochauflösende Schichtaufnahmen unverzichtbare Voraussetzung für die richtige Diagnose und damit natürlich auch für die Therapie. Aber auch im höheren Lebensalter gibt es Erkrankungen, die das Hör- und Gleichgewichtsorgan betreffen. Gerade mit der CT ist es problemlos innerhalb einer kurzen Untersuchungsdauer möglich, die knöchernen Strukturen mit dünnen Schichten darzustellen, die weniger als 1 mm Dicke aufweisen. Sie geben dem behandelnden HNO-Arzt die Informationen, die er für eine zielgerichtete Therapie benötigt.
Wie gehen Radiologinnen und Radiologen bei verunfallten Patientinnen und Patienten mit Verletzungen am Kopf vor?
Nach einem Unfall ist die Bildgebung mit CT unerlässlich, um Schädelbasisverletzungen und deren Ausmaß feststellen zu können. Durch direkte Gewalteinwirkung auf den Schädelknochen, aber auch indirekte Effekte kann es zu einer Schädigung des Hörapparates und des Gleichgewichtsorgans kommen. Bei Verletzungen der Schädelbasis steigt auch das Risiko einer Keimverschleppung, sodass eine derart schwerwiegende Diagnose ohne Zeitverzögerung mit Hilfe der radiologischen Untersuchungsverfahren gestellt werden muss. Natürlich betrachten wir mit der gleichen Untersuchung auch das Gehirn sehr genau, um Verletzungsfolgen auszuschließen.
Könnten Sie uns die Rolle der Radiologie bei Therapieverfahren wie zum Beispiel dem „Cochlea Implantat“ für Patientinnen und Patienten mit ausgeprägter Hörstörung schildern?
Angeborene oder erworbene Störungen des Hörvermögens sind heute mit modernen Therapieverfahren wie zum Beispiel „Cochlea Implantat“ behandelbar. Ihre Anwendung ist aber nur möglich, wenn vorher die genauen individuellen Verhältnisse des Innenohrs mit radiologischen Methoden dargestellt werden. So kann beispielsweise die exakte Größe der sogenannten Hörschnecke vermessen werden, damit ein entsprechend angepasstes Implantat eingesetzt werden kann. Die radiologischen Untersuchungen legen neben weiteren speziellen Untersuchungen des HNO-Arztes die Grundlage für die spätere Behandlung und können im Verlauf den Erfolg der Therapie dokumentieren. Falls sich eine Verschlechterung einstellen sollte, kann die erneute CT oder MRT mögliche Ursachen oder eventuelle Komplikationen aufdecken.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Professor Cohnen!
Zu unserer Pressemitteilung zum Thema Ohrenleiden gelangen Sie über diesen Link.