Schlüssel für die personalisierte Medizin

Neue Verfahren zur Analyse von medizinischen Bilddaten mit Radiomics

Radiologische Bildinformationen bieten die einmalige Chance, Therapieentscheidungen zu verbessern und individualisierte Behandlungs- und Überwachungsstrategien zu entwickeln. Voraussetzung hierfür ist eine strukturierte, detaillierte und quantitative Analyse der Bilddaten. In jüngster Vergangenheit ist daher ein neues Forschungsgebiet entstanden, das unter dem Namen „Radiomics“ die systematische, rechnergestützte Analyse von Bilddaten entlang einer hohen Anzahl unterschiedlicher Bildmerkmale in Korrelation zu molekularbiologischen und klinischen Differenzierungsmerkmalen zum Ziel hat. In Deutschland hat sich eine strategische Allianz aus universitären und außeruniversitären Forschungseinrichtungen, Universitätskliniken, IT-Unternehmen und der radiologischen Fachgesellschaft gegründet, um gemeinsam ein koordiniertes, multizentrisches Forschungsvorhaben zur Entwicklung, Standardisierung und Evaluation von Radiomics-Technologien am Beispiel ausgewählter benigner, chronischer und maligner Erkrankungen zu initiieren. Hierzu zählen beispielsweise volkswirtschaftlich hoch relevante Erkrankungen wie koronare Herzkrankheit, Lungenkrebs und Lebertumoren. Ziel sind neue Verfahren zur Analyse von medizinischen Bilddaten, die für die personalisierte Medizin bezüglich Versorgungsqualität und Kosteneffizienz hohe Relevanz haben.

Personalisierte Medizin als Herausforderung

Mit der sogenannten individualisierten oder personalisierten Medizin („Precision Medicine“) hat in der Gesundheitsforschung ein Diagnose- und Therapiekonzept Einzug gehalten, das auf die frühzeitige Erfassung von Parametern abzielt, die eine präzise Vorhersage des Therapieerfolgs ermöglichen und dabei helfen, individuell angepasste Therapien bei Subgruppen von Patienten auszuwählen. In der Praxis besteht die Herausforderung für die behandelnden Ärzte darin, für jeden individuellen Patienten die Therapie mit der höchsten Erfolgsrate und den geringsten Nebenwirkungen unter Wahrung ökonomischer Rahmenbedingungen festzulegen oder aber die Entscheidung zu treffen, keine Therapie anzustrengen.

Grenzen in der derzeitigen Tumormedizin

Bei der Behandlung von Tumorerkrankungen kann die moderne Medizin in der Regel auf mehr als eine Therapieoption zurückgreifen, allerdings ist die Erfolgswahrscheinlichkeit für jeden Patienten aufgrund von Mutationen und unterschiedlichen phänotypischen Ausprägungen des Genotyps unterschiedlich. Komplexe Erkrankungen wie z. B. Enddarmkrebs werden zudem durch epigenetische Faktoren bis hin zu Ernährung und Umweltfaktoren wesentlich mitbeeinflusst. Genanalysen können bei bösartigen Tumorerkrankungen wie z. B. Brustkrebs, bei denen die operative Entfernung des Primärtumors den ersten Therapieschritt darstellt, einfach aus dem Tumorgewebe erfolgen. Anders verhält es sich bei malignen oder chronischen benignen Tumorerkrankungen, bei denen nicht als erster Therapieschritt eine chirurgische Entfernung durchgeführt wird. In diesen Fällen sind Genanalysen bezüglich Umsetzung und Erkenntnisgewinn differenzierter zu bewerten. Die Entnahme von Gewebe (Biopsie) stellt jedoch einen invasiven Eingriff dar, der potentiell risikobehaftet ist und im Verlauf einer Erkrankung nicht beliebig an jeder Stelle der Tumormanifestation wiederholt werden kann, auch wenn dies medizinisch geboten scheint. Ein sogenannter „Biopsiefehler“ tritt auf, wenn die Gewebeprobe aus einer Region das Ansprechen auf eine Therapie nahelegt, während benachbarte Bereiche eine Mutation aufweisen, aus der sich ein fehlendes Ansprechen auf ebendiese Therapie ableitet.

Bildgebung als Schlüssel

Bildgebende diagnostische Verfahren sind in fast allen medizinischen Fachgebieten etabliert und kommen für die Darstellung pathologischer Gewebsveränderungen insbesondere in der Tumormedizin regelmäßig zum Einsatz. Das Ziel, die medizinische Versorgung in Deutschland zu „personalisieren“, d. h. für jeden einzelnen Patienten die Therapie mit der höchsten Erfolgswahrscheinlichkeit identifizieren zu können, ist jedoch nur mithilfe innovativer diagnostischer Analyseverfahren zu erreichen.  
 
Radiomics bedeutet im Kern die systematische, rechnergestützte Analyse von Bilddaten entlang einer hohen Anzahl unterschiedlicher Bildmerkmale. Dabei kommen – in Kombination mit maschinellem Lernen – Werkzeuge der Bildverarbeitung und der Bildanalyse zur Anwendung, die bei der Befundung in der klinischen Routine bislang keine Rolle spielen. Durch die softwarebasierte Klassifikation der Bilddaten bzw. der Definition von Bildmerkmalen können Korrelationen zwischen radiologischen, klinischen und molekularbiologischen Daten gezielt hergestellt werden, die eine Prognoseabschätzung hinsichtlich Therapieansprechen, rezidivfreiem Überleben sowie genereller Überlebensrate ermöglichen.