INTERVIEW

„Die Radiologie ist ein Querschnittsfach – sie verlangt Breite wie Tiefe“

Ein Gespräch mit Prof. Dr. Konstantin Nikolaou und Prof. Dr. Fabian Bamberg zur Weiterentwicklung der Musterweiterbildungsordnung (MWBO).

Die Überarbeitung der Musterweiterbildungsordnung (MWBO) ist im vollen Gange. Nachdem auf dem 128. Deutschen Ärztetag 2024 die Reform der Zusatzweiterbildungen beschlossen wurde (abgestimmt werden diese voraussichtlich auf dem 129. Deutschen Ärztetag 2025), folgt nun die Aktualisierung des Gebietsteils B, also der Fachgebiete und Schwerpunkte. Auch für das Gebiet Radiologie stehen Aktualisierungen der 2018 zuletzt reformierten MWBO an. Im Rahmen eines Fachgesprächs der Bundesärztekammer am 28. März 2025 haben Vertreter:innen der Radiologie ihre Vorschläge eingebracht. Wir sprachen mit Prof. Dr. Konstantin Nikolaou, Präsident der Deutschen Röntgengesellschaft (DRG), und Prof. Dr. Fabian Bamberg, beide Vorsitzende der im September 2024 gegründeten Vorstandskommission Weiterbildung der DRG. 

 Was sind die zentralen Anliegen der Vorstandskommission Weiterbildung der DRG? 

Nikolaou: Unser vielleicht wichtigstes Anliegen ist der Erhalt der vollen Weiterbildungszeit von 60 Monaten. Die Radiologie ist ein Querschnittsfach – sie verlangt Breite wie Tiefe. Verkürzt man die Weiterbildungszeit, riskiert man, beides zu verlieren. 

Bamberg: Genau. Die jüngste EU-REST-Studie (Brady et al. Insights into Imaging) zeigt, dass die durchschnittliche Weiterbildungsdauer in der Radiologie europaweit bei 4,9 Jahren liegt. Viele Länder bewegen sich also in Richtung fünf Jahre – und wir sollten dieses bewährte Maß nicht infrage stellen. Die Komplexität der Modalitäten, die Vielfalt der Organ- und Altersgruppen, die wachsenden Anforderungen durch KI und große Bild- und Datenmengen – all das lässt sich nicht komprimieren, ohne Qualität zu opfern. 

Nikolaou: Und es geht nicht nur um Dauer, sondern auch um Struktur. Wir setzen uns daher ebenso für den Erhalt der beiden bestehenden Schwerpunkte ein – Kinderradiologie und Neuroradiologie. Ihre eigenständige Weiterbildungsstruktur trägt wesentlich zur Versorgungsqualität bei. 

Fachgespräch am 28. März 2025 unter der Leitung von Prof. Henrik Herrmann (5.v.l.), Vorsitzender der Ständigen Konferenz Weiterbildung der Bundesärztekammer Deutsche Röntgengesellschaft

Sie schlagen zusätzlich einen neuen Schwerpunkt vor – die Interventionelle Radiologie. 

Nikolaou: Ja, das ist für uns ein logischer und längst überfälliger Schritt. Interventionen sind heute fester Bestandteil der radiologischen Tätigkeit. Doch das Spektrum wächst, die Komplexität auch. Mit einem neuen Schwerpunkt schaffen wir Raum für vertiefte Kompetenzen, für klare Strukturen und eine bundesweit einheitliche Weiterbildung. 

Bamberg: Der Schwerpunkt ist auf 24 Monate angelegt, analog zu den bestehenden Schwerpunkten. Der neue Schwerpunkt orientiert sich an bereits fest etablierten fachärztlichen Interventionsmodulen Modulen A bis D. Dabei war uns wichtig, zwischen dem zu trennen, was alle Radiologinnen und Radiologen in der Weiterbildung beherrschen müssen – also etwa Biopsien, Drainagen, vaskuläre Basisinterventionen – und dem, was darüber hinaus im Schwerpunkt vermittelt werden kann, etwa komplexe endovaskuläre Therapien oder Tumorablationen. Das schafft Verlässlichkeit – und Entwicklungsspielräume zugleich. 

Die Kommission hat auch Vorschläge zum Zusammenspiel von Gebiet und Schwerpunkten gemacht. Was genau ist geplant? 

Bamberg: In der Gebietsdefinition soll künftig ausdrücklich stehen, dass eine bestimmte Zahl an Untersuchungen aus den Indikationsgebieten der Schwerpunkte verpflichtend ist. Zugleich ist es uns ein Anliegen, dass bis zu 12 Monate Tätigkeit in einem Schwerpunkt oder in patientennaher wissenschaftlicher Arbeit auf die Weiterbildung im Gebiet Radiologie anrechenbar sind. Dieser und viele andere Aktualisierungsvorschläge in der MWBO haben wir den radiologischen Nachwuchsorganisationen zu verdanken, die sich mit vielen wertvollen Impulsen in die Diskussion eingebracht haben. 

Nikolaou: Wenn wir wissenschaftliche Arbeit als Teil radiologischer Exzellenz verstehen, dann sollte sie auch Eingang in die Weiterbildung finden. 

Wie haben Sie den Prozess bisher erlebt – intern in der Kommission und im Austausch mit der Bundesärztekammer? 

Nikolaou: Es war vom ersten Moment ein guter und produktiver Prozess. Unsere Kommission spiegelt die ganze Bandbreite der Radiologie wider: alle Schwerpunkte, verschiedene Generationen. Wir haben uns gemeinsam auf einen Entwurf für die MWBO NEU verständigt. Die Einigkeit, mit der wir als Gesamtfach aufgetreten sind, hat auch die Bundesärztekammer lobend hervorgehoben. Besonders wertvoll ist auch die enge Zusammenarbeit mit den radiologischen Vertreterinnen und Vertretern in den Weitebildungsausschüssen und in weiteren Funktionen unserer Landesärztekammern. Hier ist über das Thema MWBO hinaus eine intensivere Form der Kommunikation entstanden, die wir unbedingt weiter pflegen wollen. 

Bamberg: Auch das Fachgespräch am 28. März 2025 mit der Bundesärztekammer verlief sehr gut: offen, zugewandt, lösungsorientiert. Gerade in Detailfragen – etwa zur Anrechenbarkeit von Zeiten, zur Integration von Fallsammlungen oder Simulationstrainings – sind wir sehr weit gekommen und auf viel Verständnis gestoßen. 

Wie geht es nun konkret weiter?  

Bamberg: In diesem Jahr wird auf dem Deutschen Ärztetag über den Abschnitt C – also Zusatzweiterbildungen – abgestimmt. Unsere Vorschläge zum Gebiet Radiologie gehen nun in die Ständige Konferenz. Die Beratungen dort laufen bis Ende 2025. 

Nikolaou: Der neue Schwerpunkt Interventionelle Radiologie wird voraussichtlich erst ab 2027 beschlossen – aber wir legen jetzt die inhaltlichen und strukturellen Grundlagen. Es ist ein Marathon, kein Sprint. Aber wir laufen ihn gemeinsam – mit Zielfokussierung, Teamgeist und dem festen Willen, die radiologische Weiterbildung auf ein tragfähiges Fundament für die Zukunft zu stellen.