INTERVIEW

Wie bildgebende Verfahren Sehstörungen diagnostizieren und behandeln helfen

Die zweite Oktoberwoche ist die Woche des Sehens. Das nehmen wir zum Anlass, ein Gespräch mit Professor Dr. med. Sönke Langner von der Universitätsmedizin Greifswald darüber zu führen, welche Möglichkeiten die Radiologie bietet, Menschen mit Sehstörungen zu helfen.

Herr Professor Langner, vielen Dank, dass Sie sich Zeit für dieses Gespräch nehmen. Zu Beginn: Welche bildgebenden Verfahren sind besonders hilfreich, um die Ursachen von Sehstörungen zu erkennen?

Professor Sönke Lagner: Sehr gerne! Eines der wichtigsten Verfahren ist die Magnetresonanztomographie, kurz MRT. Die MRT bietet eine hervorragende Auflösung und einen hohen Weichteilkontrast, was besonders wichtig ist, da sie sowohl das Auge selbst als auch die umliegenden Strukturen wie die Augenhöhle und den Sehnerv detailliert abbildenProf. Dr. med. Sönke Langner, Universitätsmedizin Greifswald © privat kann. Auch Veränderungen im Gehirn, die Sehstörungen verursachen können, werden dabei sichtbar. Mit der MRT können wir zwischen verschiedenen Erkrankungen differenzieren, zum Beispiel Tumoren, Entzündungen, und auch neurologische Erkrankungen wie Multiple Sklerose oder Gefäßerkrankungen. So wird die MRT zu einem unverzichtbaren Instrument in der Diagnostik bei Sehstörungen.

Würden Sie das bitte genauer erklären: Wie hilft die MRT dabei, Gefäßveränderungen in der Augenhöhle genau zu erkennen und die Behandlung besser zu planen?

Die MRT ermöglicht durch ihre Fähigkeit, feine Gewebestrukturen und Flüssigkeitsdichten differenziert darzustellen, eine exakte Charakterisierung intra-orbitaler Gefäßmalformationen, also Gefäßveränderungen im Bereich der Augenhöhle. Diese Malformationen lassen sich aufgrund ihrer typischen Bildmerkmale – wie besondere Formen, Lage und Signalintensitäten – gut erkennen und von anderen Erkrankungen abgrenzen. Diese detaillierten Informationen über die genaue Lage und Ausdehnung der Gefäßmalformation innerhalb der Augenhöhle sind besonders wichtig für die Therapieplanung. So kann der Operateur die Lagebeziehungen der Gefäße zu benachbarten Strukturen wie dem Sehnerv, den Augenmuskeln und den Gefäßen des Auges besser einschätzen und die Behandlung optimal vorbereiten.

Diagnostik ist das eine. Aber gibt es auch radiologische Behandlungen für Gefäßanomalien im Augenbereich, die Sehstörungen verursachen?

Ja, bei bestimmten Gefäßanomalien, insbesondere bei sogenannten Karotis-Kavernosus-Fisteln, ist die interventionelle Radiologie sehr hilfreich. Diese Fisteln führen zu einem Rückstau von Blut im Augenbereich, was Beschwerden wie Schwellungen, Bewegungsstörungen des Auges und sogar Sehverlust auslösen kann. Hier ist die endovaskuläre Therapie das Mittel der Wahl. Dabei gelangen wir über einen arteriellen oder venösen Zugang zum betroffenen Gefäß und können es von innen her schließen, um die Durchblutung wieder zu normalisieren und die Symptome zu lindern.

Können radiologische Verfahren auch helfen, die Sehkraft bei Augentumoren zu verbessern?

Leider haben wir bei Tumoren im Augenbereich mit radiologischen Interventionen keine direkte Möglichkeit, die Sehkraft zu verbessern. Tumoren werden hier in der Regel entweder operativ entfernt oder bestrahlt.

Zur Person: Prof. Dr. med. Sönke Langner ist Facharzt für Diagnostische Radiologie und Neuroradiologie an Universitätsmedizin Greifswald. Er konzentriert sich auf die Erkennung und Behandlung von Erkrankungen, die Sehstörungen verursachen, insbesondere durch die Magnetresonanztomographie (MRT). Sein Forschungsengagement umfasst auch die Anwendung von KI-Technologien zur Verbesserung der Früherkennung von Augenerkrankungen. In der DRG bringt er sich als Vorstand der AG Kopf-Hals ein und ist ein gefragter Referent in diesem Themenfeld. Für sein Engagement verlieh ihm die DRG in diesem Jahr den Eugenie-und-Felix-Wachsmann-Preis.

Gibt es auch innovative Methoden, Nervenerkrankungen, die Sehstörungen verursachen, frühzeitig zu erkennen?

Ja, die gibt es. Die Entwicklungen in der Radiologie sind hier sehr spannend. Zum einen haben sich die Bildqualität und die Auflösung durch neue Spulentechnologien und KI-basierte Bildrekonstruktionen enorm verbessert. Wir können dadurch den Verlauf des Sehnervs und die Kreuzung der Sehnervenbahnen, das Chiasma opticum, sehr genau untersuchen und so verschiedene Veränderungen besser voneinander abgrenzen.

Ein weiterer Ansatz ist die Analyse großer Datenmengen aus populationsbasierten MRT-Studien. Ein schönes Beispiel ist ein Projekt der Radiologie der Universität Greifswald, der Augenklinik der Universität Rostock und des Centre de Recherche en Radiologie in Lausanne. Dort werden mit KI über 1000 MRT-Bilder aus einer großangelegten Bevölkerungsstudie analysiert, um Biomarker für bestimmte Erkrankungen im Augenbereich zu definieren. Diese Daten sind öffentlich zugänglich und bieten auch anderen Forschergruppen die Möglichkeit, neue Erkenntnisse zu gewinnen.

Sehr geehrter Herr Professor Langner, haben Sie Dank für das Gespräch.

Fazit: Die MRT ist ein zentrales Diagnosetool bei Sehstörungen, da sie Augen, Sehnerv und Gehirn detailliert abbilden und zwischen verschiedenen Erkrankungen differenzieren kann. Sie hilft zudem bei der Planung von Eingriffen bei Gefäßanomalien im Augenbereich. Während radiologische Verfahren bei Augentumoren keine direkte Verbesserung der Sehkraft ermöglichen, bieten moderne Technologien und KI-Analysen neue Ansätze zur frühzeitigen Erkennung von nervenbedingten Sehstörungen.

veröffentlicht am Donnerstag, 10. Oktober 2024