INTERVIEW
Fit fürs Radiologie-PJ: Ein innovatives Filmprojekt für Medizinstudierende
Das Praktische Jahr (PJ) ist in jedem Medizinstudium ein Highlight. Damit sich Studierende, die diesen Teil ihrer Ausbildung in der Radiologie verbringen, bestmöglich vorbereiten können, ist eine Videoreihe entstanden, die den Studierenden einen ersten Überblick über das Fachgebiet der Radiologie geben soll. Das Besondere: Die Filme sind nicht nur für die Studierenden nützlich, sondern unterstützen auch die Lehrenden in den Kliniken. Um beide Perspektiven einzufangen, haben wir ein Interview mit der Studentin Emily Hoffmann und der Fachärztin Dr. med. Judith Herrmann geführt, die das Filmprojekt für das Forum Junge Radiologie und das Forum Lehre in der DRG ins Leben gerufen haben.
Dr. med. Judith Herrmann © privatGanz allgemein gefragt – Welche Relevanz hat das praktische Jahr im Medizinstudium?
Dr. med. Judith Herrmann: Das Praktische Jahr (PJ) ist ein wesentlicher Bestandteil des Medizinstudiums, da es den Übergang von der Theorie zur Praxis markiert. Es bietet den Studierenden die Möglichkeit, ihr theoretisches Wissen im klinischen Umfeld anzuwenden, praktische Fertigkeiten zu erlernen und erste Erfahrungen im Berufsalltag zu sammeln. Gerade in einem so komplexen und dynamischen Fach wie der Radiologie ist es wichtig, dass die Studierenden frühzeitig Einblicke gewinnen und sich mit den Abläufen und Techniken vertraut machen.
Emily Hoffmann: Für uns Studierende ist das PJ eine einmalige Gelegenheit, wirklich in die klinische Arbeitswelt einzutauchen und uns auf den Berufsalltag vorzubereiten. Gerade in der Radiologie, einem Fach, mit dem wir im Studium oft wenig direkten Kontakt haben, ist es besonders wichtig, sich mit den speziellen Techniken und der komplexen Bildgebung vertraut zu machen. Das PJ bietet uns daher nicht nur die Möglichkeit, unser Fachwissen zu vertiefen, sondern auch die nötige Sicherheit im Umgang mit den verschiedenen Modalitäten und Untersuchungen zu erlangen, die im Studium oft nur theoretisch vermittelt werden.Emily Hoffmann © privat
Was hat dich, Emily, als Studentin motiviert, an dem Filmprojekt mitzuarbeiten?
Emily: Aus meiner Erfahrung als Medizinstudentin weiß ich, wie überwältigend die ersten Tage im Praktikum sein können. Man ist oft sehr nervös, weil so viele neue Eindrücke auf einen einprasseln und gerade am Anfang werden unzählige Grundlagen erklärt, die man aufgrund der Fülle an Informationen schnell wieder vergisst. Mit "Fit fürs Radiologie-PJ" möchten wir eine Möglichkeit schaffen, sich schon im Vorfeld mit den Grundlagen der Radiologie befassen zu können, um gut vorbereitet die Fachrichtung kennenzulernen.
Judith, was war deine Motivation?
Judith: Als Fachärztin und Lehrbeauftragte erlebe ich täglich, wie wichtig eine gute Vorbereitung der Studierenden ist, um die Zeit in der Radiologie effizient zu nutzen und diese auch für das Fach zu begeistern. Oft wiederholen sich die gleichen grundlegenden Fragen und Themen, die wir in dieser Videoreihe gezielt ansprechen. Meine Motivation war es, ein Werkzeug zu schaffen, das den Einstieg erleichtert und gleichzeitig die Weiterbildungsassistent:innen und Fachärzt:innen entlastet. So können wir uns im klinischen Alltag auf die Vertiefung des Wissens und das Erlernen praktischer Fertigkeiten konzentrieren.
Welche Themenfelder deckt ihr mit den Videos ab?
Judith: Zunächst geben wir den Studierenden einen ersten Überblick über das Fachgebiet der Radiologie. Wir zeigen, welche Bereiche es gibt und wo die Abgrenzungen zu anderen, verwandten Fachrichtungen wie der Radioonkologie und Nuklearmedizin liegen und gehen darauf ein, welche Bildgebungsmodalitäten es gibt. Darüber hinaus fokussieren wir uns auf die Erstellung des radiologischen Befundes und zeigen, wie er aufgebaut ist und welche Informationen in welchen Abschnitt gehören. Im Anschluss vermitteln wir den Studierenden, wie sie strukturiert verschiedene Untersuchungen befunden können, etwa eine Röntgen-Thorax-Aufnahme oder auch eine CT des Schädels oder Abdomens.
Die Videoreihe hält zudem einige besondere Highlights bereit, wie Einblicke in die interventionelle Radiologie. Hier haben sich beispielsweise erfahrene Interventionalist:innen gefunden, die den Studierenden die wichtigsten Grundlagen vermitteln. Sie erklären die Basics, zum Beispiel, wie man sich steril anzieht, wo man sich in der Angiographie positioniert und welche Katheter und Drähte verwendet werden.
Emily: Ein weiterer toller Aspekt der Videoreihe ist, dass unsere Referierenden die Inhalte so gestalten, dass sie nicht in eine 90-minütige Vorlesung ausarten, bei der man sich wünscht, man hätte einen Kaffee mehr getrunken. Stattdessen sind die Vorträge niederschwellig und locker gehalten, mit einer guten Portion Humor. Das Wissen wird kurz und knackig vermittelt – so bleibt es nicht nur hängen, sondern macht auch noch Spaß.
Welchen Effekt wünscht ihr euch von den Videos? Welche Wirkung könnten sie bestenfalls in der Praxis entfalten?
Emily: Ich hoffe, dass die Videos den Studierenden die Angst vor dem Unbekannten nehmen und ihnen helfen, sich an ihrem ersten Tag in der Radiologie sicherer und besser vorbereitet zu fühlen. Wenn sie die grundlegenden Konzepte und Techniken bereits kennen, können sie sich mehr auf das praktische Lernen konzentrieren und schneller Fortschritte machen. So ist der Lerneffekt zum Beispiel viel größer, wenn man sich von Anfang an traut, radiologische Befunde selbst zu schreiben, als den Weiterbildungsassistent:innen lediglich beim Diktieren über die Schulter zu schauen.
Judith: Ich durfte in meinem eigenen PJ selbst mitarbeiten und meine eigenen Befunde schreiben. Dies war der Auslöser, warum ich die Radiologie so spannend fand und mich bis heute dieser Fachbereich jeden Tag begeistert. Unsere Vision war es, dass Studierende besser auf Ihr PJ vorbereitet werden und hierdurch mehr von der eigentlichen Zeit in der Radiologie profitieren und möglichst schnell selbstständig mitarbeiten können. Es gibt nichts langweiligeres als neben einer “stummen Radiologin” oder einem „stummen Radiologen” zu sitzen und zuzuhören/-schauen, wie sie oder er einen Befund diktiert. Das macht das Fach nicht attraktiv und spiegelt auch nicht die Arbeitsroutine wider. In der Praxis könnten die Videos dazu beitragen, den Studierenden bereits ein Grundverständnis zu vermitteln, hierdurch wird für die Lehrenden diese sehr repetitive Aufgabe vorweggenommen und Studierende und Lehrende können direkt in einen intensiveren Austausch starten. So bleibt mehr Zeit für die individuelle Betreuung und die praktische Ausbildung. Und im Idealfall können wir so mehr Studierende davon begeistern, dass die Radiologie einfach wirklich das spannendste Fach der Welt ist.
Sollen noch weitere Filme erarbeitet werden und wenn ja, zu welchen Themen?
Emily: Ja, auf jeden Fall! Die Radiologie ist ein sehr breites Fachgebiet und es gibt noch viele weitere Themen, die wir in zukünftigen Videos behandeln könnten. Wir planen, das Feedback von Studierenden und Lehrenden zu nutzen, um die Themenauswahl kontinuierlich zu erweitern und anzupassen. Denkbar wären zum Beispiel vertiefende Einblicke in Spezialgebiete wie die Kinderradiologie, die Hybridbildgebung oder spezielle Interventionstechniken.
Judith: Ich halte es auch für wichtig, das Projekt weiterzuentwickeln und vielleicht interaktive Elemente einzubauen. Zum Beispiel könnten wir Quizfragen oder Fallbeispiele integrieren, um das Gelernte zu vertiefen und die Studierenden noch stärker einzubinden. Hier sind wir schon sehr gespannt auf die Rückmeldung der Studierenden. Die Möglichkeiten sind vielfältig und ich freue mich darauf, das Projekt in Zukunft weiter zu begleiten.
Liebe Emily, liebe Judith, vielen Dank für das Gespräch.