INTERVIEW

„Was die DRG für Deutschland ist, ist die RWRG für die Region“

Priv.-Doz. Dr. Mirjam Gerwing, MBA ist Oberärztin in der Klinik für Radiologie am Universitätsklinikum Münster und seit November 2023 Präsidentin der Rheinisch-Westfälischen Röntgengesellschaft e. V. (RWRG). Im Interview skizziert sie insbesondere die Themenschwerpunkte und Projekte, die sie in ihrer Amtszeit in den Mittelpunkt rücken möchte.

PD Dr. Mirjam Gerwing, Präsidentin der Rheinisch-Westfälischen Röntgengesellschaft e. V. (RWRG)PD Dr. Mirjam Gerwing, Präsidentin der Rheinisch-Westfälischen Röntgengesellschaft e. V. (RWRG)Frau Dr. Gerwing, Sie sind seit November 2023 Präsidentin der RWRG. Weshalb engagieren Sie sich in der Fachgesellschaft?
Sowohl in der DRG als auch in der RWRG engagiere ich mich seit einigen Jahren mit großer Motivation. Nur gemeinsam können wir die Radiologie stark vertreten, das wird insbesondere berufspolitisch immer wichtiger, wie die letzten Jahre gezeigt haben. Das Thema MR-Bildgebung durch andere Fachdisziplinen ist gerade omnipräsent – dabei können wir nur geschlossen mit allen Radiologinnen und Radiologen klar Stellung beziehen und unsere Expertise in der Radiologie halten. Diese Einheit der Radiolog:innen entsteht meiner Ansicht nach vor allem in den Fachgesellschaften.
In diesem Kontext bieten regionale Fachgesellschaften wie die RWRG Möglichkeiten für den direkten kollegialen Austausch, um Themen zu diskutieren und sich gegenseitig Tipps zu geben. Wir können alle von der spezifischen Expertise unserer Kolleg:innen profitieren und die RWRG ermöglicht es, dass wir uns untereinander kennenlernen und zusammenarbeiten. Ich arbeite seit vielen Jahren in NRW und erlebe oft, dass sich Kolleginnen und Kollegen aus unterschiedlichen Universitätsklinika über die DRG kennen, aber dies zwischen den nicht-universitären Kliniken und den Kolleg:innen in den Praxen einer Region nicht in gleichem Maße der Fall ist – genau hier sehe ich die große Stärke der RWRG.
Es ist mein Ziel, Radiologinnen und Radiologen der Region zusammenzubringen und eine nachhaltige und zukunftsorientierte Zusammenarbeit zu fördern.

Wie bewerten Sie die aktuelle Situation für die Radiologie allgemein, speziell in NRW und welche Herausforderungen sehen Sie?
Im Jahr 2022 wurde der Krankenhausplan NRW veröffentlicht, regional werden seither Planungskonzepte für die Umsetzung der dort festgelegten Rahmenbedingungen erarbeitet. In dieser Region erfolgt dabei bundesweit erstmalig eine Planung anhand einer Leistungsgruppensystematik, die flächendeckende stationäre medizinische Versorgung wird entsprechend neu ausgerichtet. Hier herrscht bei vielen Radiologinnen und Radiologen Unsicherheit, was das für unser Fach bedeutet. Dazu kommt oft auch die Sorge in Bezug auf einzelne Standorte oder Kliniken. Eine solche neue Ausrichtung kann Synergien entstehen lassen, jedoch ist die Umsetzung für viele Krankenhausärzt:innen auch eine Herausforderung. Neue, innovative Konzepte und der Einsatz digitaler Lösungen ermöglichen es der diagnostischen und interventionellen Radiologie, sich auch im Rahmen möglicher Umstrukturierungen nachhaltig als zentrales Querschnittsfach in den Kliniken zu etablieren.
Viele radiologische Abteilungen leiden jedoch im Alltag unter Personalmangel, insbesondere auf Seiten der Medizinischen Technolog:innen für Radiologie. Auch hier können innovative Konzepte wie Telepräsenzlösungen helfen, die Radiologie leistungsstark zu halten. Bei der Einführung solcher innovativen Konzepte können wir voneinander lernen und auch hier ist der regionale Bezug wichtig, da die gesetzlichen Vorgaben in der Regel auf Landesebene festgelegt werden.

Welche Themen haben Sie sich für Ihre Präsidentschaft auf die Agenda gesetzt?
Besonders wichtig ist es mir, die klinische Exzellenz, Innovation und Spitzenmedizin der deutschen Radiologie in die Region zu bringen. Dafür braucht es den kollegialen Austausch. Die geplanten Empfänge in Detmold, Münster und Düsseldorf dieses Jahr sollen abseits des gut etablierten Radiologiekongress Ruhr die RWRG erlebbar machen und regional die Radiolog:innen zusammenbringen. Das wird auch das Motto des diesjährigen Radiologiekongress Ruhr sein: RWRG - regional stark, international vernetzt. Passend dazu wird dessen Termin auch wieder auf den International Day of Radiology fallen. Neben dem internationalen Bezug ist es mir auch ein besonderes Anliegen, noch mehr junge Vortragende einzuladen und ein möglichst breites Publikum anzusprechen. Dafür haben wir nicht nur ein tolles Team aus gewählten und kooptierten Vorstandsmitgliedern, sondern auch die tatkräftige Unterstützung vieler engagierte Kolleg:innen aus der RWRG.
Weiterhin werden wir auch unsere erfolgreichen Online-Formate weiterführen, neben der bereits langjährig etablierten Fortbildung im Forum auch Radiate, die Fortbildungsreihe zum Weiterbildungscurriculum, welche sich primär an Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung richtet.

Seit vielen Jahren ist die RWRG der Deutschen Röntgengesellschaft eng verbunden. In welchen Bereichen arbeiten RWRG und DRG aktuell zusammen?
Was die DRG für Deutschland ist, ist die RWRG für die Region – meiner Ansicht nach eine optimale Ergänzung. Seit vielen Jahren arbeiten wir daher eng zusammen und ich möchte diese Zusammenarbeit weiterführen und intensivieren. Die DRG ist jährlich auf dem Radiologiekongress Ruhr präsent, ebenso unterstützt sie die RWRG bei der Bekanntmachung von eigenen Veranstaltungen. Auch die Fortbildungsreihe Radiate ist ein Kooperationsprojekt. Das Weiterbildungscurriculum wird hier in kondensierten Vorträgen von Expertinnen und Experten vermittelt und ergänzt so in hervorragender Weise die Lernplattform Raducation des Forums Junge Radiologie.

Die erste Präsenzveranstaltung der RWRG im Jahr 2024 ist der Frühjahrsempfang am 21. März in Detmold. Hier steht der Lungenkrebs im Fokus. Was genau erwartet die Teilnehmenden?
Eine weitere Herausforderung für die Radiologie in den nächsten Jahren wird die voraussichtliche Einführung des Lungenkrebsscreenings und dessen Organisation sein. Auch hier sind wir auf eine enge Zusammenarbeit angewiesen, insbesondere in der Region - daher haben wir den Lungenkrebs als Thema der ersten Präsenzveranstaltung der RWRG gewählt. Wir tauchen dabei tief in die Thematik ein, von der Implementierung des Screenings, über das folgende radiologische Staging und Lung-RADS, was auch im Alltag immer mehr Relevanz findet. Ich freue mich schon jetzt auf die tollen Referierenden und bin sicher, dass das Thema eine angeregte Diskussion unter den Teilnehmenden hervorrufen wird.
Besonders freut es mich, dass wir diesen Empfang gemeinsam mit dem Universitätsinstitut für Radiologie des 2019 gegründeten Universitätsklinikums Ostwestfalen-Lippe organisieren. Unsere bisherigen Veranstaltungen haben wir vorrangig im Ruhrgebiet organisiert, jetzt wollen wir aktiv auch im nördlichen Teil der Region Präsenz zeigen. Professor Eisenblätter ist ebenfalls Mitglied des RWRG-Vorstands und wird in diesem Rahmen sein Institut vorstellen. Ich freue mich, dort möglichst viele Kolleg:innen kennenlernen und für die RWRG begeistern zu können.