INTERVIEW
„Wir wollen Radiomics und Künstliche Intelligenz in Deutschland weiter vorantreiben“
Wie Krankheitsanzeichen mit Künstlicher Intelligenz und darauf gestützten Analysen von Bilddaten erkannt werden können – das erforscht das Programm „Radiomics: Nächste Generation der medizinischen Bildgebung“. Seit diesem Frühjahr wird es für weitere drei Jahre von der Deutschen Forschungsgemeinschaft DFG mit mehr als sieben Millionen Euro gefördert. Damit liegt das Fördervolumen bei insgesamt 15 Millionen Euro. Die Gesamtkoordination des Programms liegt bei Prof. Dr. Fabian Bamberg, Ärztlicher Direktor der Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Universitätsklinikum Freiburg. Wir haben Professor Bamberg zu den Zielen des Programms und dessen weiterer Entwicklung befragt.
Professor Fabian Bamberg © Universitätsklinikum FreiburgProfessor Bamberg, könnten Sie uns das Ziel und die Struktur des Programms „Radiomics: Nächste Generation der medizinischen Bildgebung“ beschreiben?
Prof. Bamberg: Bei unserem DFG-Schwerpunktprogramm geht es darum, dass wir das wissenschaftliche Feld Radiomics / Künstliche Intelligenz / Deep Learning, also eigentlich alles, was mit moderner Bilddatennachverarbeitung zu tun hat, in Deutschland ein gutes Stück weiter vorantreiben wollen. Dabei liegt der Fokus auf der klinischen Anwendbarkeit und wir sind thematisch nicht auf ein Organsystem festgelegt. Die klinische Translation ist aktuell – nach meiner Einschätzung - das Bottleneck und wir hoffen, dass wir hiermit einige Impulse setzen können. So ein Schwerpunktprogramm ist ein spannendes Förderinstrument der DFG: Wir haben über 16 Millionen Euro für ein Themenfeld einwerben können und nun dürfen sich alle Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit konkreten Projektvorschlägen bewerben, die dann ein internationales Gutachtergremium bewertet. Als Koordinator obliegt mir nun schon in der zweiten Förderphase, den Rahmen zu steuern und zusätzliche Angebote zum Beispiel an den wissenschaftlichen Nachwuchs oder Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit Kindern zu machen.
Wie ist „Radiomics“ mit der NAKO-Gesundheitsstudie verknüpft?
Prof. Bamberg: Wir sind damals mit der Motivation gestartet, die Auswertung der unglaublich komplexen NAKO-MRT-Daten zu unterstützen, aber der Antrag für die DFG entwickelte sich dann doch sinnvollerweise sehr viel breiter und für Alle zugänglich. Dennoch haben wir im Schwerpunkt einige NAKO-MRT-Projekte, die gefördert werden und hier auch den Einsatz von komplexen MRT-Nachverarbeitungsalgorithmen nutzen, um zum Beispiel die Rolle von viszeralem Fettgewebe oder Sarkopenie zu verstehen und klinisch anwendbar zu machen. Unzweifelhaft bietet die NAKO einen einmaligen Bilddatenschatz, der hochstandardisiert akquiriert wurde und jetzt auch der allgemeinen Wissenschaft zur Verfügung steht.
Blicken wir kurz zurück: „Radiomics“ wird seit 2019 gefördert – was sind die wesentlichen Ergebnisse der ersten Förderphase?
Prof. Bamberg: In der ersten Förderphase haben wir einen beeindruckenden Fortschritt bei vielen Projekten gesehen und konnten eigentlich in allen Bereichen signifikant vorankommen. Das zeigen viele Publikationen und erfolgreich abgeschlossene Projekte aus einem breiten Spektrum vom Kardio- CT bis hin zur biologischen Altersbestimmung anhand von Ganzkörper-MRT-Daten. Am herausforderndsten war sicherlich die COVID-Pandemie, die eigentlich die gesamte erste Phase über eine Zusammenarbeit und Vernetzung nahezu unmöglich gemacht hat. Dennoch gelang es hier, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler synergetisch zusammenzubringen und wir konnten auch eine gemeinsame Publikation in einem Delphi-Prozess erfolgreich abschließen.
Seit diesem Frühjahr erhalten Sie eine Anschlussförderung durch die DFG. Was sind weitere Ziele innerhalb des Programms? Wie wird es sich weiter entwickeln?
Prof. Bamberg: Richtig, wir sind aktuell in der zweiten Förderphase angekommen und haben diese noch etwas klinischer ausgerichtet. Es geht weiterhin um den Einsatz von Künstlicher Intelligenz / Radiomics zur besseren Nutzbarmachung von Bilddaten im klinischen und präventiven Setting. Einige Projekte werden auch aus der ersten Förderphase fortgeführt und es sind neue Projekte dazugekommen. Rückmeldungen aus der Begutachtung und den Teilnehmenden aus der ersten Phase haben wir auch aufgegriffen und werden versuchen, öfter persönlich zusammenzukommen und gezielt Workshops und Förderung zu relevanten Themen anzubieten. Wir planen auch, für die Projekte des DFG-Schwerpunktprogramms das RACOON-Netzwerk zu nutzen und sind hier in konkreter Planung der Anbindung.
Wie viel Radiomics und KI steckt eigentlich bereits in der klinischen Praxis?
Prof. Bamberg: Noch nicht so viel wie eigentlich möglich und im Prinzip auch nötig. Obwohl wir beginnen, einzelne Algorithmen zu integrieren, ist die Translation komplex: Heterogene IT-Systeme, fehlende Standards in Qualität und Sicherheit und ein spezielles, nicht auf Qualität ausgerichtetes Vergütungssystem führen eher zur Zurückhaltung, obgleich der Weg für uns in der Radiologie essenziell ist. Vielleicht hilft auch der DFG-Schwerpunkt hier voranzukommen.
Welche Möglichkeiten sind im radiologischen Bereich noch denkbar und wünschenswert?
Prof. Bamberg: Wir müssen ganz klar Win-Win-Situationen schaffen, Abläufe vereinfachen und Qualität steigern. Das wir dafür noch bessere Algorithmen benötigen und diese auch leicht implementieren müssen, liegt auf der Hand. Ich bin davon überzeugt, dass wir als „digitalisiertes“ Fach nicht nur unseren eigenen Workflow von der Planung über die Durchführung, Dokumentation und Befundung mittels Künstlicher Intelligenz / Radiomics effizienter gestalten und die Qualität steigern können, sondern auch die Verantwortung für die gesamten Prozesse im Gesundheitswesen vorantreiben müssen - Wer denn sonst?!