INTERVIEW

Ultrahochfeld MRT am Handgelenk: Wie einsatzfähig ist es im klinischen Alltag?

Die Studie zum 7 Tesla-MRT des Handgelenks „Clinical Application of Ultrahigh-Field-Strength Wrist MRI: A Multireader 3-T and 7-T Comparison Study“ ist in diesem Jahr erschienen und in der führenden radiologischen Fachzeitschrift „Radiology“ der Radiological Society of North America publiziert worden. Die Deutsche Röntgengesellschaft hat diese Studie finanziell unterstützt und dafür ihre internationale Radiomics-Plattform zur Verfügung gestellt. Welche Ergebnisse hat die Studie gebracht? Welche klinische Bedeutung hat sie? Unter anderem darüber haben wir mit dem Erstautor der Studie, PD Dr. Rafael Heiß, sowie den weiteren Autoren Professor Dr. Marc-André Weber und Professor Dr. Frank Roemer gesprochen.

Welchen zentralen Fragestellungen sind Sie in der Studie nachgegangen?
PD Dr. Heiß: Wir haben eine Machbarkeitsstudie zum Handgelenks-MRT bei 7 Tesla durchgeführt. Wir hatten das Ziel, die klinische Einsatzfähigkeit des Ultrahochfeldes am Handgelenk zu überprüfen, weil es dazu insbesondere im klinischen Kontext kaum Studien gibt. Uns ging es um einen direkten Vergleich der Darstellbarkeit und Bildqualität unterschiedlicher anatomischer Strukturen bei 3 Tesla, dem aktuellen klinischen Standard, und 7 Tesla. Wir haben uns auf das Handgelenk fokussiert, weil hier das Potential von 7 Tesla optimal ausgeschöpft werden kann, aufgrund der möglichen hohen Ortsauflösung. Unser Ziel war es, die Bildqualität durch ein internationales Expertenpanel auf der Basis semiquantitativer Scorings beurteilen zu lassen. Das Panel war mit sieben Radiologinnen und Radiologen, die eine besondere Expertise in muskuloskelettaler Radiologie haben, besetzt.

PD Dr. Heiß, Prof. Marc-André Weber, Prof. Frank Roemer DRG/Thomas RafalzykWie haben Sie die Studie aufgebaut?
Professor Roemer: Wir haben 25 Probandinnen und Probanden sowie 25 Patientinnen und Patienten mit chronischen Handgelenksschmerzen untersucht, bei denen am gleichen Tag eine 3 Tesla-MRT sowie eine 7 Tesla-MRT durchgeführt wurde. Dass wir auch Patientinnen und Patienten in die Studie eingeschlossen haben, ist ein Alleinstellungsmerkmal unserer Untersuchung und einer der Gründe, warum wir die Arbeit in der renommierten Zeitschrift „Radiology“ veröffentlichen konnten. Darüber hinaus war unsere Studie als multizentrisches Projekt mit Vertreterinnen und Vertretern aus der muskuloskelettalen Radiologie aufgesetzt, die unterschiedliche wissenschaftliche Gruppen, Institutionen und Gesellschaften vertreten. Eine Herausforderung bei der Durchführung der Studie war, dass es in Deutschland nur wenige 7 Tesla-MRT-Geräte und noch keine kommerziell verfügbaren Handgelenksspulen gibt. Aber wir waren in der glücklichen Lage, dass wir uns von Marc-André Weber, der in Heidelberg schon zu 7 Tesla geforscht hat und sich eine Handgelenksspule hat anfertigen lassen, diese Spule ausleihen konnten. So wurde der praktische Teil der Studie in Erlangen organisiert. In diesem Setting haben wir dann die Untersuchungen am gleichen Tag mit standardisierten vergleichbaren Protokollen durchführen können und haben dann eine web-basierte Scoring-Plattform gemeinsam mit Fraunhofer MEVIS in Bremen entwickelt.

Professor Weber: Durch Fraunhofer MEVIS wurde die Radiomics-Plattform der DRG weiterentwickelt und dezidiert auf unsere Wünsche bezüglich des Reads durch die sieben Experten angepasst. Die Radiomics-Plattform zeigt, wie gut standardisiert und professionell man sowohl den Read als auch Schulungen durchführen und wie bedienerfreundlich man als Reader Zugriff auf die Hintergrundinformationen bei der Analyse der 3 Tesla- sowie 7 Tesla-MRT Aufnahmen erhalten kann. Wir haben zunächst eine interne Qualitätskontrolle gemacht sowie Definitionen und Begrifflichkeiten geklärt, bevor dann der Read von den Expertinnen und Experten in einem vorgegebenen Zeitraum durchgeführt wurde.

Welche Zentren haben an Ihrer Studie teilgenommen?
PD Dr. Heiß: Die Zentren, die federführend teilgenommen haben, waren Rostock und Erlangen, die die Studie designt, sich um die Drittmittelakquise gekümmert sowie die Patientenmessungen durchgeführt haben. Am multizentrischen Reading waren Kolleginnen und Kollegen von der Universität Rostock, der LMU in München, der Universität Heidelberg, der Universität Hamburg-Eppendorf, dem Rotes-Kreuz-Krankenhaus in Bremen sowie der University of Minnesota und des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) in Heidelberg beteiligt.
Professor Roemer: Es ist wichtig zu betonen, dass nicht nur eine einzige Veröffentlichung aus dem aufwändigen Studiendesign entstanden ist, sondern insgesamt drei Manuskripte. Eines wurde schon vor mehr als einem Jahr in der Zeitschrift „Diagnostics“ veröffentlicht – darin haben wir Knochenstrukturanalysen im Röntgen mit denen bei 3 Tesla und 7 Tesla und insbesondere Probandinnen und Probanden mit den Patientinnen und Patienten verglichen.  Das haben wir in Kooperation mit Kolleginnen und Kollegen der Harvard University in Boston gemacht, mit denen ich seit Langem eng zusammenarbeite. Nicht viele Zentren auf der Welt können diese Knochenstrukturanalysen extrahieren. Eine weitere Arbeit wurde gerade eingereicht und befasst sich mit dem Vergleich der kompositionellen Knorpelbildgebung zwischen 3 Tesla und 7 Tesla. Hierzu führten wir sogenannte T2 und T2* Relaxometrie Analysen an unterschiedlichen Handgelenkstrukturen durch.

Was sind die Hauptergebnisse der kürzlich in Radiology veröffentlichten Studie?
PD Dr. Heiß: Was man sagen kann, ist, dass sowohl die 3 Tesla-Bilder als auch die 7 Tesla-Bilder eine diagnostische Bildqualität geliefert haben, und das durchweg bei den Patientinnen und Patienten sowie bei den Probandinnen und Probanden. Das gilt für alle Sequenzen, die wir akquiriert haben. Aber wenn man ins Detail geht, sieht man, dass die T1- und die T2-gewichteten Bilder genauso wie die spektrale Fettsättigung bei 3 Tesla den 7 Tesla-Bildern überlegen waren. Gleiches gilt auch für die Darstellbarkeit und die Auflösbarkeit des TFCC und der intrinsischen Ligamente. Auch hier war die 3 Tesla-MRT der 7 Tesla-MRT überlegen. Im Gegensatz dazu wurden die protonengewichteten fettgesättigten Bilder bei 7 Tesla im Vergleich zu 3 Tesla besser bewertet. Dies führte bei 7 Tesla insbesondere zu einer überlegenen Darstellbarkeit des Knorpels am Handgelenk. Insgesamt aber sind die Unterschiede zwischen den Feldstärken als gering einzuschätzen.

Professor Weber: Gerne möchte ich ergänzen: Beim Thema Kappa-Werte, das die Übereinstimmung zwischen den Readern widerspiegelt, war das Beste, was wir bekommen haben, für die Nerven ein Wert von 0,64, was eine gute Übereinstimmung ist. Aber wir sind bei kritischen kleineren Strukturen wie dem Knorpel bei 0,44 oder den Ligamenten bei 0,21 - 0,31. Das zeigt, dass wir noch eine Menge Arbeit vor uns haben, um die Bildqualität und die einheitliche Wertung von Befundzeichen noch weiter zu verbessern, so dass auch die subtilen anatomischen Strukturen und Pathologien am Handgelenk verlässlich und mit hoher Übereinstimmung von mehreren Readern erfasst werden.

Führt die Feldstärke einer 7 Tesla-Untersuchung grundsätzlich zu einer höheren Bildqualität und einem klinischen Mehrwert?
Professor Roemer: Ich würde sagen, dass es im Bereich der Knorpelbildgebung das größte Potenzial gibt. Bei der Darstellung von Bandstrukturen oder Faserknorpelstrukturen war 7 Tesla nicht überlegen, aber bei der Knorpelbildgebung haben wir zumindest einen klaren Trend gesehen.

Welche weitere klinische Bedeutung haben die Ergebnisse der Studie Ihrer Ansicht nach?
Professor Roemer: Unsere Studie war ein Feldstärkenvergleich und eine Multi-Reader-Auswertung. Unser Hauptfokus lag auf der Frage: Kann man Handgelenksbildgebung klinisch bei 7 Tesla durchführen? Hierzu war zunächst die Protokollentwicklung notwendig und dann die eigentliche Durchführung der Arbeit. Diese Frage kann man also gut mit „ja“ beantworten. Die zweite Frage ist die schwierigere: Gibt es einen klinischen und therapeutischeren Mehrwert der 7 Tesla-Untersuchung gegenüber der Standarduntersuchung bei 3 Tesla? Das können wir heute noch nicht beantworten, sondern müssen weiter daran arbeiten. Das ist einer der Gründe, warum die DRG unser Projekt gefördert hat. Bevor wir neue Technologien in unseren klinischen Alltag als Routine aufnehmen, müssen wir diese mit klaren Fragestellungen und definiertem Referenzstandard wissenschaftlich evaluieren. Ich denke hier insbesondere auch an die vielen KI-Anwendungen, die im Moment auf uns zu kommen.

PD Dr. Heiß: Wir haben in unserer Studie einen sehr geringen Unterschied zwischen den 3 Tesla- und 7 Tesla-Bildern gefunden. Das heißt: All diese Bilder sind diagnostisch aussagekräftig, auch, wenn wir klar das Potenzial für eine Verbesserung der Knorpelbildgebung bei 7 Tesla sehen. Aber es zeigt natürlich auch, dass das volle Potenzial der Ultrahochfeldbildgebung noch nicht gehoben ist. Wichtig ist hier die Unterstützung durch die Industrie. Aktuell haben wir wenig dezidierte Spulen für 7 Tesla, am Handgelenk gar keine. Auch erwarten wir durch die fortlaufende Anpassung der verfügbaren Sequenzen an die technischen Besonderheiten der hohen Feldstärke eine weitere Verbesserung der Bildqualität.

Professor Weber: Das Entscheidende ist die weitere Entwicklung der Ultrahochfeldtechnik hinsichtlich technischer und klinischer Hinsicht. Sie ist nun technisch etabliert und auch für klinische Anwendungen zugelassen. Jetzt muss sich herauskristallisieren, für welche klinischen Anwendungen sie tatsächlich einen Mehrwert gegenüber 3 Tesla hat, so dass man sagen kann: „Das sind die richtigen klinischen Indikationen für 7 Tesla“. Im neuroradiologischen und im muskuloskelettalen Bereich gibt es ein klares Potenzial von 7 Tesla. Es bleibt weiterhin spannend, welchen Mehrwert sie für Patientinnen und Patienten hat und dies ist für uns Radiologinnen und Radiologen Ansporn, diese Projekte weiterzuverfolgen.

Zu unseren Interviewpartnern:
PD Dr. med. Rafael Heiß, MHBA, ist Oberarzt im Radiologischen Institut des Universitätsklinikums Erlangen

Professor Dr. med. Marc-André Weber, M.Sc., ist Direktor des Institutes für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Kinder- und Neuroradiologie an der Universitätsmedizin Rostock

Professor Dr. med. Frank Roemer ist Oberarzt und Leiter der muskuloskelettalen Forschung am Radiologischen Institut des Universitätsklinikums Erlangen

veröffentlicht am Donnerstag, 25. Mai 2023