INTERVIEW
„Innovativ, vernetzt, gesundheitspolitisch stark“
Univ.-Prof. Dr. Gerald Antoch, Direktor des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Universitätsklinikum Düsseldorf, ist stellvertretender Präsident der Deutschen Röntgengesellschaft und seit Juni 2022 Sprecher Gesundheitsstrategie des Vorstandes. Im Interview erläutert Professor Antoch, warum diese Position eingerichtet wurde und weshalb die Radiologie ihre Interessen stärker als bisher in den Einrichtungen der Selbstverwaltung im Gesundheitswesens vertreten sollte.
Univ.-Prof. Dr. Gerald Antoch, Stellvertretender Präsident der DRG und Sprecher Gesundheitsstrategie des Vorstands der DRG © DRG/Thomas RafalzykHerr Professor Antoch, medizinische Fachgesellschaft und Gesundheitspolitik, wie passt das zusammen? Oder anders gefragt: Muss eine Gesellschaft wie die Deutsche Röntgengesellschaft sich auch als gesundheitspolitischer Akteur begreifen?
Professor Antoch: Bei einer wissenschaftlichen Fachgesellschaft wie unserer würde man sagen: Na ja, Gesundheitspolitik und Berufspolitik, dafür ist der Berufsverband zuständig, und dann passt das schon. Das reicht aber heutzutage nicht mehr. Alle wichtigen, den Gesundheitssektor und somit unser Fach betreffenden Entscheidungen werden in den Gremien der Selbstverwaltung und auf gesundheitspolitischer Ebene der Länder und des Bundes getroffen. Wenn wir heute etwas für unser Fach erreichen wollen, müssen wir uns auch da engagieren. Dabei greifen die Tätigkeit unserer Fachgesellschaft, des Berufsverbandes und anderer radiologischer Verbände ineinander und ergänzen sich. Eine Fachgesellschaft wird von Akteurinnen und Akteuren im Gesundheitswesen anders betrachtet als ein Berufsverband, der primär mit Berufspolitik, also beispielsweise abrechnungstechnischen oder berufsrechtlichen Fragen in Verbindung gebracht wird. Als Fachgesellschaft kann man daher Dinge bewegen, die ein Berufsverband nicht bewegen kann. Die Tätigkeit der DRG ist also auch in der Gesundheitspolitik extrem wichtig.
Seit Juni 2022 haben Sie die neu geschaffene Position Sprecher Gesundheitsstrategie des Vorstandes der DRG inne. Welche Aufgaben sind mit dieser Position verknüpft?
Die erste Aufgabe besteht in der Repräsentanz der Deutschen Röntgengesellschaft bei gesundheitspolitischen Fragen nach außen. Das kann etwa gegenüber der Politik und anderen Fachgesellschaften oder -verbänden und ihren Anfragen und Anliegen sein, aber auch gegenüber den Medien. Dazu gehört auch, sich mit externen Akteurinnen und Akteuren zu vernetzen, vor allem natürlich dann, wenn man bei bestimmten Themen gemeinsame Interessen verfolgt. Die zweite Aufgabe ist eher intern verortet, aber mindestens genauso wichtig. Aufgabe des Sprechers Gesundheitsstrategie ist es auch, sich als Bindeglied zwischen den verschiedenen radiologischen Verbänden zu engagieren. Es ist sehr wichtig, dass es gelingt, alle an einen Tisch zu holen, Kooperationen zu initiieren und nach außen geschlossen aufzutreten. Nur wenn es gelingt als ein Fach zu agieren und wahrgenommen zu werden, wird die Radiologie auch gesundheitspolitisch erfolgreich sein können.
Wie ist die Deutsche Röntgengesellschaft im gesundheitspolitischen Raum aktuell aufgestellt?
Um gesundheitspolitisch erfolgreich zu sein, muss ein Fach über Vertreterinnen und Vertreter u.a. in Gremien der Selbstverwaltung mitgestalten können. Hier haben wir in den letzten 30 Jahren zu wenig getan. Deshalb sind wir aktuell in zahlreichen Institutionen der Selbstverwaltung nicht oder nur in geringem Maße vertreten. Der Eigeninitiative einzelner Personen in der deutschen Radiologie ist es zu verdanken, dass es über ihr Engagement trotzdem gelungen ist, relevante Entwicklungen mitzugestalten. Die neue Musterweiterbildungsordnung und ihre Umsetzung auf Ebene der Landesärztekammern sei hier als ein Beispiel genannt.
Wie kann man die Situation ändern?
Ein zentrales Ziel für die nächsten Jahre wird es sein, die Anzahl von engagierten Radiologinnen und Radiologen in den Gremien der Selbstverwaltung zu erhöhen. Dies wird aber nur möglich sein, wenn es uns gelingt, vor allem junge Radiologinnen und Radiologen, die in den Institutionen der Selbstverwaltung dann auch entsprechend lange tätig sein können, dafür zu interessieren. Deswegen ist es auch so wichtig, dass wir in der DRG das Forum Junge Radiologie haben sowie die AG Gesundheitspolitische Verantwortung, die das zentrale Ziel verfolgt, junge Menschen zu motivieren, sich gesundheitspolitisch zu engagieren. Idealerweise sollten sich junge Radiologinnen und Radiologen in Verbänden wie zum Beispiel dem Marburger Bund, dem Deutschen Ärztinnenbund, dem Hartmannbund etc. engagieren, für eine Wahl in die Gremien der Selbstverwaltungsinstitutionen aufstellen lassen, im Optimalfall gewählt werden, sukzessive ihren Weg in diesen Gremien gehen, in verantwortliche Positionen kommen und Entscheidungen auch im Sinne der Radiologie mitgestalten. Bisher haben wir es versäumt dies aus der DRG heraus zu fördern. Jetzt ist es ein weiter Weg, aber den müssen wir gehen und den gehen wir auch.
Mehr Engagement in der Gesundheitspolitik – braucht die DRG dafür Partnerinnen und Partner?
Ja, unbedingt. Um die Interessen unseres Faches erfolgreich vertreten zu können, brauchen wir die gesamte Radiologie. Hierzu zählen u.a. der BDR, die Radiologengruppe RG20, die Deutsche Gesellschaft für Interventionelle Radiologie (DeGiR), die Deutsche Gesellschaft für Neuroradiologie (DGNR), der Berufsverband der Neuroradiologen (BDNR) oder die Gesellschaft für Pädiatrische Radiologie (GPR). Wir haben gemeinsam beschlossen, die Radiologie in der Selbstverwaltung des Gesundheitswesens sichtbarer zu machen und unser Fach besser zu repräsentieren. Alles, was wir aktuell im Bereich Gesundheitspolitik unternehmen, ist daher eng unter uns abgestimmt und passt in ein Gesamtkonzept. Wir besprechen bei den Themen, die für uns gesundheitspolitisch relevant sind, wer dabei welche Aufgabe übernimmt und umsetzt, etwa aktuell bei der Gesetzgebung zu gebietsfremden MRT-Leistungen. Wir alle wollen viel für die Radiologie bewegen und das funktioniert nur, wenn wir mit einer Stimme sprechen. Wenn wir anfangen, uns in unsere Einzelteile zu zerlegen, wird im Gesundheitswesen keiner mehr auf uns hören.
Welches sind aktuell die aus Ihrer Sicht wichtigsten gesundheitsstrategischen Handlungsfelder?
In diesem Zusammenhang will ich übergeordnete und Radiologie-spezifische Themen nennen. Übergeordnete Themen im Gesundheitswesen sind zum Beispiel der Fachkräftemangel, die Weiterbildung, die Krankenhausbedarfsplanung, die Aufnahme neuer Leistungen in den EBM oder die Novelle der GOÄ. Diese übergeordneten Themen sind natürlich auch für uns Radiologinnen und Radiologen relevant und daher müssen wir uns hier auch engagieren. Aber es gibt eben auch Radiologie-spezifische Themen, zum Beispiel die Erbringung radiologischer Leistungen durch andere Fachdisziplinen oder die Positionierung der Radiologie als therapeutisches Fach. Die Radiologie ist eben nicht nur Diagnostik, sondern wir sind als interventionell tätige Radiologinnen und Radiologen auch Therapeutinnen und Therapeuten. Die Radiologie ist auch daher in der neuen Weiterbildungsordnung erstmals als Fach der unmittelbaren Patientenversorgung genannt.
Wenn Sie die Radiologie der Zukunft mit drei Worten beschreiben würden - welche wären das?
Da muss ich nicht lange überlegen: Innovativ, vernetzt, gesundheitspolitisch stark. Ganz klar innovativ, denn das ist unser Fach. Wir sind dadurch, dass wir Technologie-affin und fortschrittlich sind, innovativ, und das waren wir schon immer. Die aktive Begleitung dieses beständigen Innovationsprozesses wird auch die Hauptaufgabe der DRG bleiben. Da haben wir in den letzten 30 Jahren nicht geschlafen. An der Vernetzung unseres Faches arbeiten wir gemeinsam mit allen radiologischen Verbänden. Diese Vernetzung ist die Basis für jedes erfolgreiche Engagement im gesundheitspolitischen Raum. Gesundheitspolitisch werden wir so in Zukunft zunehmend stärker aufgestellt sein.