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Netzwerk RACOON: Radiologische Forschung in der Entwicklung

COVID-19 hat zahlreiche Herausforderungen im deutschen Gesundheitswesen deutlich gemacht, darunter mangelnde Digitalisierung und fehlende nationale Zusammenarbeit medizinischer Institutionen. Als Antwort auf diese Defizite wurde im April 2020 das bundesweite Netzwerk Universitätsmedizin (NUM) gegründet, in dem alle 36 deutschen Universitätsklinika zusammenarbeiten. Das NUM sollte und soll Wissen zu COVID-19 bündeln und neue Behandlungsmethoden entwickeln, gefördert wird es vom Bundesministerium für Bildung und Forschung. Die medizinische Bildgebung wird hierbei durch das radiologische multizentrische Forschungsnetzwerk RACOON (Radiological Cooperative Network) vertreten. Das 2020 ins Leben gerufene Netzwerk sammelt radiologische Bilddaten und macht sie durch strukturierte Befundung für die Forschung, insbesondere zum Einsatz Künstlicher Intelligenz, nutzbar. War das Ziel von RACOON zunächst, die Pandemie besser zu verstehen und Behandlungsmöglichkeiten zu unterstützen, hat sich RACOON mittlerweile für zahlreiche andere medizinische Themen geöffnet.

In RACOON sind alle radiologischen Universitätsklinika sowie das Deutsche Krebsforschungszentrum in Heidelberg, das Fraunhofer-Institut für Digitale Medizin MEVIS in Bremen und die Technische Universität Darmstadt zusammengeschlossen. Radiologische Aufnahmen liefern quantitative Informationen über Erkrankungen und Erkrankte, diese Daten werden im Netzwerk RACOON gesammelt und für systematische flächendeckende Analysen nutzbar gemacht, vernetzt und für die Weiterentwicklung künstlicher Intelligenz verwendet. Forschungs- und Entwicklungspartner des Netzwerkes sind auch die Unternehmen Mint Medical GmbH und ImFusion. Geleitet wird das Projekt von Dr. Andreas Bucher und Univ. Prof. Dr. Dr. Thomas J. Vogl vom Universitätsklinikum Frankfurt am Main sowie PD Dr. Tobias Penzkofer und Univ. Prof. Dr. Bernd Hamm von der Charité Berlin und Prof. Dr. Dr. Jens Kleesiek vom Institut für Künstliche Intelligenz in der Medizin des Universitätsklinikums Essen.

In RACOON wird künstliche Intelligenz trainiert, sodass darüber Assistenzfunktionen geschaffen werden können und personalisierte Medizin sowie Präzisionsmedizin ermöglicht werden kann - von der Befundung eines einzelnen Falls bis zur Kapazitätsplanung im Gesundheitswesen. Davon profitieren Forscherinnen und Forscher mit innovativen Ansätzen, denen jedoch bisher der Zugang zu ausreichend großen und gut aufgearbeiteten Kohorten von Patientinnen und Patienten fehlte. RACOON ermöglicht die Bereitstellung homogener Datenerhebungs- und Analysemethoden an allen Projektpartnerstandorten. Gleichzeitig können Erkenntnisse und Methoden von einem Partnerstandort schnell über das gesamte Projektnetzwerk verteilt werden. Die modulare, adaptierbare und einheitliche Bereitstellung von Analysemethoden und daraus resultierende bundesweit einheitliche Erhebung von strukturierten Bilddatenauswertungen ermöglicht kollaborative Forschungsansätze in der medizinischen Bildgebung zwischen RACOON und allen anderen Teilprojekten im NUM.

Nicht nur COVID-19: Entwicklung von RACOON

Nach der Gründung von RACOON in 2020 wurde zunächst eine Datengrundlage aufgebaut sowie an internationalen und nationalen Standards orientierte radiologische Standards der Befundung und ein umfassendes Bildglossar, ausführliche Dokumentationsmaterialien, interaktive Workshops und Lehreinheiten geschaffen. Das Ziel dieser anfänglichen Phase war es, eine hochqualitative, umfassend strukturierte Datenerfassung zu ermöglichen. Teilnehmende der ersten Präsenzworkshops im RACOON 2022 am Charité Campus Virchow Klinikum Berlin mit 34 Vertreterinnen und Vertretern der teilnehmenden Universtiätskliniken sowie aller Technologie-Partner. © Netzwerk RACOONMit dieser Basis wurde die RACOON-Kohorte, bestehend aus über 14.000 CT-Untersuchungen und über 3.000 Röntgenuntersuchungen mit zugehörigen maschinenlesbaren, strukturierten Befunden jeder eingeschlossenen Bildgebung, gebildet. Das Ergebnis war ein einmaliger, deutschlandweiter Datensatz zur kollaborativen Bilddatenforschung mit über 6,6 Millionen Befunditems. Die Forschungsinfrastruktur innerhalb des Projekts baut auf einem hybriden Netzwerkinfrastrukturkonzept auf, das verteilte Hardwareknoten an den beteiligten Universitätskliniken und eine sichere, zentrale Umgebung beinhaltet. Gerade durch diese beziehungsweise die erstmalige Anbindung aller universitätsmedizinischen Institute in Deutschland entsteht erst die Möglichkeiten zu großflächigen, bundesweiten Forschungsprojekten, welche bisher nicht umsetzbare Forschung möglich macht. Nur so können Wirkmechanismen von Erkrankungen, relevante Einflussfaktoren auf deren Verläufe untersucht werden und Erkenntnisse zu Risikofaktoren vulnerabler Patientengruppen und der Wirksamkeit von Therapieansätzen abgeleitet werden.

Die künftigen Schritte wurden in diesem Frühjahr auf dem „RACOON Retreat 2022“, das am Charité Campus Virchow Klinikum in Berlin stattfand, sowie in verschiedenen Veranstaltungen des Netzwerkes, wie auf dem Präsenzteil des 103. Deutschen Röntgenkongresses Ende Mai in Wiesbaden, vorgestellt. Danach soll der Fokus in Zukunft auf einer Verstetigung von RACOON als Infrastrukturprojekt und als Instanz zur Unterstützung einer Vielzahl von Anwendungsmöglichkeiten in Forschungsvorhaben der medizinischen Bildgebung liegen. So werden künftig auch die Anwendungsgebiete der Versorgungsforschung, klinische Studien sowie die Erstellung und Anwendung innovativer KI-Applikationen auf medizinische Bilddaten ermöglicht und dabei Neuroradiologien, Kinderradiologien und die kardiovaskuläre Bildgebung eingeschlossen. Der erste Anwendungsfall mit dem Namen „RACOON-COMBINE“ umfasst sowohl die systematische Phänotypisierung anhand quantitativer „Imaging Biomarker“ als aus der Bildgebung abgeleitete quantitative Parameter, die über die klinische Bewertung einer Erkrankung hinausgehende prädiktive und prognostische Informationen liefern, die für die Risiko-Stratifizierung und Behandlungs-Steuerung hilfreich sind.

Berufspolitische Signale

Über diese Schritte hinaus soll RACOON neben der technologischen Ausgestaltung der hybriden Netzwerkinfrastruktur die Etablierung von Datenerhebungsstandards für medizinische Bilddaten sowie die Bündelung von Kompetenzen in standortübergreifenden, interdisziplinären Gruppen von Expertinnen und Experten verfolgen. Bislang sind 149 Expertinnen und Experten in RACOON integriert. Wesentlich für den Betrieb der Infrastruktur von RACOON wird außerdem die Etablierung der Infrastrukturkomponenten und die Ausweitung der Funktionalität sowie das reibungslose Zusammenwirken sein. Diese Schritte sind eine Voraussetzung für die Zusammenarbeit in RACOON.

Im Kern will dieses Konzept auch berufspolitische Signale senden, denn es beinhaltet eine Modifikation und Erneuerung der bisherigen Rollen der Radiologie und eine Neudefinition des Kompetenzspektrums von Radiologinnen und Radiologen. Die Radiologie sollte demnach die Vorreiterrolle der Digitalisierung in der Medizin einnehmen und Radiologinnen und Radiologen könnten künftig durch ihre Rolle als Informationenmanagerinnen und -manager die Zukunftssicherheit des Gesundheitswesens stärken.

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veröffentlicht am Dienstag, 5. Juli 2022