INTERVIEW
Erfolgreich in die eigene Praxis - Leitfaden für die Selbständigkeit in der Radiologie
Klinik oder Niederlassung, selbstständig oder angestellt – viele Radiologinnen und Radiologen stellen sich diese Fragen irgendwann im Laufe ihrer beruflichen Karriere. Eine Entscheidungshilfe kann dabei der Leitfaden „Erfolgreich in die eigene Praxis - Leitfaden für die Selbständigkeit in der Radiologie“ sein, den Professorin Nina Schwenzer und Dr. Ulrike Engelmayer gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen vom Forum Niedergelassener Radiologen FuNRad der Deutschen Röntgengesellschaft und des Berufsverbandes Deutscher Radiologen erstellt haben. Prof. Schwenzer und Dr. Engelmayer sind als niedergelassene Radiologinnen in den bayerischen Orten Ebersberg und Schwabmünchen tätig. Wir haben die beiden zu ihrem eigenen Einstieg befragt und sie gebeten, uns den Weg in die Niederlassung genauer zu beschreiben.
Professorin Nina Schwenzer © Andreas ThierschmidtProfessorin Schwenzer, Dr. Engelmayer, Sie beide waren zunächst in radiologischen Abteilungen von Kliniken beschäftigt, sind dann jedoch in die radiologische Niederlassung gewechselt. Was hat Sie persönlich zu diesem Schritt motiviert?
Prof. Schwenzer: An der Niederlassung haben mich vor allem die Gestaltungsmöglichkeiten und die kurzen Entscheidungswege gereizt, hinzu kommen die flacheren Hierarchien. Ich möchte aber die Erfahrungen an einem Haus der Maximalversorgung natürlich nicht missen. Das macht einen besonders in Notfällen gelassener, weil man viele Dinge einfach schon gesehen hat.
Dr. Engelmayer: Wie für Nina Schwenzer hat für mich das aktive Gestalten meines Arbeitsumfeldes einen sehr hohen Stellenwert, was mir in den Krankenhäusern, in denen ich angestellt war, aufgrund der hierarchischen Strukturen und der betriebswirtschaftlichen Vorgaben nur bedingt möglich war. Auch ist mir die Mitarbeitenden-Führung ein großes Anliegen, weil ich als Vorgesetzte meinen Mitarbeitenden ermöglichen will, sich an ihrem Arbeitsplatz optimal zu entfalten und ihre Gaben und Fähigkeiten in das Unternehmen gestaltend und selbstbestimmt einzubringen.
Dr. Ulrike Engelmayer © PrivatZusammen mit Kolleginnen und Kollegen haben Sie einen Leitfaden für den Einstieg in die ambulante radiologische Praxis erstellt. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?
Dr. Engelmayer: Bei mir hat es fast sieben Jahre gedauert, bis ich meinen Traum, als Teilhaberin in eine Radiologie-Praxis einzusteigen, verwirklichen konnte. In diesen sieben Jahren habe ich viele positive und auch negative Erfahrungen gemacht, die ich in Form des Leitfadens an andere weitergeben will. Außerdem brauchen wir in der ambulanten Radiologie mutige Kolleginnen und Kollegen, die den Schritt in die Selbstständigkeit wagen. Diesen Kolleginnen und Kollegen soll der Leitfaden Orientierung geben.
Prof. Schwenzer: Sich niederzulassen ist keine schnelle Entscheidung, die man von heute auf morgen trifft, sondern ein Prozess. Ich hatte das große Glück, mich zusammen mit einer Kollegin niederzulassen, so konnten wir uns jederzeit austauschen und die Arbeit auf dem Weg dorthin aufteilen. Es ist sehr zeitintensiv, sich alle Informationen zu besorgen, diese Recherchearbeit wollen wir für zukünftige Niederlassungswillige mit dem Leitfaden gerne verkürzen.
Inwieweit unterscheidet sich die Arbeit als Radiologin oder Radiologe im Krankenhaus von der Tätigkeit im ambulanten Bereich?
Prof. Schwenzer: Grundsätzlich unterscheiden sich die Arbeitsabläufe nicht wesentlich. Allerdings überwiegen vor allem am MRT Fragestellungen aus dem Bereich muskuloskelettalen Radiologie und Neuroradiologie. Die Fallzahl der am Tag zu bearbeitenden Fälle ist oftmals höher, allerdings gibt es keine oder weniger Fallkonferenzen und Tumorboards, die in der Vorbereitung oftmals sehr zeitintensiv sind. Auch Wochenend- und Nachtdienste fallen häufig weg. Bildgesteuerte Interventionen beschränken sich oftmals auf Arthrographien oder andere schnell durchführbare Prozeduren – sofern die Praxis nicht ein größeres Krankenhaus vollumfänglich versorgt.
Dr. Engelmayer: Die Tätigkeit im ambulanten Bereich ist sehr vielfältig und heterogen und hängt stark von der Praxisstruktur ab, in der die Arbeit stattfindet: als (überörtliche) Berufsausübungsgemeinschaft, als Teil eines Praxisverbunds oder eines MVZ, angeschlossen an eine Klinik, als alleinige Inhaberin oder alleiniger Inhaber oder in einem ärztlichen Team aus Teilhaberinnen und Teilhabern. Da muss jede und jeder die Form finden, die für sie oder ihn persönlich passt. Im Gegensatz zu vielen anderen Fachgebieten ist das Besondere und Reizvolle an der Radiologie, dass sich die eigentliche radiologische Tätigkeit in einer Praxis nicht sehr von der im Krankenhaus unterscheidet. Selbst Forschung, Lehre oder Spezialisierungen lassen sich mit einer Tätigkeit im ambulanten Bereich vereinbaren, wenn man das will. Zwar hat man auch Limitationen infolge des GKV- und PKV-Systems, aber mehr Verhandlungsspielraum in Bezug auf Arbeitszeitmodelle und Verdienstmöglichkeiten.
Der Leitfaden beschreibt die einzelnen Schritte hin zum Praxiseinstieg in vier Kapiteln. Gehen wir die einzelnen Kapitel durch: Was ist bei der Vorbereitung des Praxiseinstiegs besonders zu beachten?
Prof. Schwenzer: Hier ist zu beachten, dass selbst wenn man noch keine ganz konkreten Pläne hat, sich niederzulassen, man sich in das Arztregister und in die Wartelisten auf einen KV-Sitz eintragen sollte. Das geht auch in mehreren KVen gleichzeitig. Dies kann später in der Bewerbungssituation der entscheidende Vorteil sein, da hier die Zeit seit der Eintragung berücksichtigt wird. Solange man noch am Krankenhaus arbeitet, sind auch viele Qualifikationen leichter zu erwerben. Da die Radiologie zu den überversorgten Fächern gehört, muss man in der Regel einen Sitz von einer ausscheidenden Kollegin oder einem ausscheidenden Kollegen übernehmen. Hier gibt es mehrere Möglichkeiten, auf Praxissuche zu gehen. Bewährt haben sich zum Beispiel Ausschreibungen über den BDR oder die Stellenanzeigen im DÄB, aber auch Praxisvertretungen, die den Vorteil mit sich bringen, die potenziellen Kolleginnen und Kollegen schon einmal kennenzulernen.
In Kapitel 2 des Leitfadens befassen Sie sich mit der „Praxisanalyse“. Welche Themen gehören in eine solche Analyse?
Dr. Engelmayer: Die Praxisanalyse betrifft viele Themen, die für den Geschäftsplan und somit für die Kreditverhandlungen wichtig sind. Dies sind Themen, die mit unserer Tätigkeit als Radiologinnen und Radiologen primär nicht so viel zu tun haben, aber später für eine erfolgreiche Praxisführung entscheidend sind. Einige dieser Themen sind etwas heikel und delikat, da sie „das Eingemachte“ einer Praxis betreffen. Um einen ehrlichen Einblick und alle notwendigen Informationen zu erhalten, ist es essenziell, im Vorfeld das Vertrauen der abgebenden und verbleibenden Altgesellschafter gewonnen zu haben.
Prof. Schwenzer: Der Standort spielt hier natürlich eine entscheidende Rolle. Wie ist die Konkurrenzsituation? Wie sind die Geräteausstattung und die IT aufgestellt? Gibt es einen Investitionsstau? Passt das Leistungsprofil der Praxis zu mir? Wie ist die Praxis personell aufgestellt? Wichtig sind auch Einblicke in die finanzielle Situation der Praxis.
Wie man den Praxiseinstieg verhandelt ist Thema des 3. Kapitels. Dabei geht es etwa um vertragsrechtliche Fragen oder um die Finanzierung des Vorhabens. Was ist hier zu beachten?
Prof. Schwenzer: An diesem Punkt der Niederlassung ist es wichtig, zumindest ein oder zwei Beraterinnen oder Berater an der Seite zu haben. Das können zum Beispieleine Steuerberaterin oder ein Steuerberater sein, auch eine Anwältin oder ein Anwalt – vorzugsweise aus dem Medizinrecht– sind denkbar. Hier gibt es viele Dinge zu beachten, von der Finanzierung und der Wirtschaftsberatung bis hin zum Vertragsregelwerk beispielsweise des Gesellschaftsvertrages im Falle einer BAG. Auch die Verhandlungen über den Kaufpreis sollte man mit Unterstützung führen, da hier oftmals schon von der abgebenden Partei vorhandene Wertgutachten kritisch geprüft werden müssen.
Dr. Engelmayer: Ich habe leider in Verhandlungen erlebt, dass sowohl Einsteigerinnen und Einsteiger als auch Abgeberinnen und Abgeber meinen, sich so gut mit der Materie auszukennen, dass sie ohne Beratung auskommen. Das kann riskant sein, weil einige Sachverhalte sehr komplex sind und sich über die Jahre verändern. Andererseits können zu viele Beraterinnen oder Berater die Verhandlungen verkomplizieren und die Kosten in die Höhe treiben. Auch ist nicht jede Beraterin oder jeder Berater gleich gut oder gleich gut geeignet, sodass ich rate, Kolleginnen und Kollegen um Empfehlungen zu bitten.
Die nötigen Formalitäten beim Praxiseinstieg zeigt Kapitel 4. Könnten Sie uns diese näher beschreiben?
Dr. Engelmayer: Ich bin von „meiner“ Medizinrechtlerin gut auf die Formalitäten vorbereitet und durch sie hindurchgeführt worden. Auch die Kassenärztlichen Vereinigungen haben Präsenzberaterinnen und -berater, die einem bei diversen Fragestellungen weiterhelfen. Unterstützung kann man, wie beschrieben, zudem durch Steuerberaterinnen und Steuerberater, oder auch Praxismanagerinnen und -manager, sofern vorhanden, bekommen.
Prof. Schwenzer: Sehr wichtig ist es, sich um die Beantragung der KV-Abrechnungen zu kümmern. Die Genehmigungen für die Durchführung zum Beispiel von CT, MRT oder Sonographie müssen einzeln beantragt werden und erfordern jeweils Zeugnisse über die Qualifikation. Dann muss man den Statuswechsel vom Angestellten zur Freiberuflerin oder zum Freiberufler beachten, das gilt vor allem für das Finanzamt und das ärztliche Versorgungswerk. In der Regel ist man auch für den Strahlenschutz zuständig und muss dem Gewerbeaufsichtsamt eine entsprechende Mitteilung machen.
Im Leitfaden gehen Sie auch auf Herausforderungen und Fallstricke beim Einstieg in die Niederlassung ein. Welche sind das?
Prof. Schwenzer: Schwierig kann es dann werden, wenn man Zusammenhänge zum Beispiel beim Sonderbetriebsvermögen nicht durchschaut oder sich bestimmte Privilegien unter den Teilhaberinnen und Teilhabern ausgebildet haben, die so weitergeführt werden sollen. Solche Gegebenheiten muss man sich genau erklären lassen. Grundsätzlich sollte man nie irgendetwas unterschreiben, was man nicht verstanden hat, oder wenn der Förderkredit noch nicht „in trockenen Tüchern“ ist.
Dr. Engelmayer: Neben den Herausforderungen in den Verhandlungen im Speziellen gibt es natürlich auch Herausforderungen, die wir auf dem Weg in die Selbstständigkeit im Allgemeinen erlebt haben. Dies ist zum einen die zunehmende Kommerzialisierung des Gesundheitswesens, auch im ambulanten Sektor, zum Beispiel durch den zunehmenden Einfluss von Finanzinvestoren. Zum anderen findet im ambulanten Sektor, wie im stationären Bereich auch, ein Wertewandel zwischen den verschiedenen Ärzte-Generationen statt, der sowohl persönliche Themen wie Lebensziele, Status und Verdienst als auch die Unternehmensführung betrifft. Außerdem kommt es nicht von ungefähr, dass gerade wir zwei Frauen den „Leitfaden Praxiseinstieg“ initiiert haben. Denn wir Radiologinnen sind immer noch in der Minderheit unter den niedergelassenen Radiologinnen und Radiologen, was auch eine Herausforderung auf dem Weg in die Niederlassung darstellt.
Der Berufsverband Deutscher Radiologen und die Deutsche Röntgengesellschaft unterstützen Radiologinnen und Radiologen auf ihrem Weg in die Niederlassung. Wie sieht diese Unterstützung aus?
Dr. Engelmayer: Wir beide müssen ehrlicherweise zugeben, dass wir kaum Unterstützung durch die DRG und den BDR auf dem Weg in die Niederlassung gesucht bzw. erhalten haben. Daher rührt auch unsere Motivation, uns im Rahmen unserer Vorstandstätigkeit im FuNRad (= Forum Niedergelassener Radiologen) und im BDR dieses Themas anzunehmen. Es werden Netzwerke aufgebaut, in denen niederlassungswillige Kolleginnen und Kollegen durch erfahrene Kolleginnen und Kollegen bei den einzelnen Schritten des Praxiseinstiegs beraten und begleitet werden. Außerdem etablieren wir ein System, in dem Vertragsmuster und andere Informationen zur Verfügung gestellt werden können. Und wir organisieren Fortbildungen und andere Veranstaltungen, in denen man sich austauschen und vernetzen kann. Je mehr Kolleginnen und Kollegen sich in diesen Netzwerken engagieren, desto stärker werden wir als radiologische Gemeinschaft – auch im ambulanten Sektor.
Ist Ihr Leitfaden auch für Ärztinnen und Ärzte anderer Facharztgruppen, die in die ambulante Versorgung einsteigen wollen, interessant?
Prof. Schwenzer: Grundsätzlich unterscheidet sich die Radiologie bezüglich der Formalien nicht von anderen Fächern. Was sicherlich heraussticht, sind die Höhe der Geldflüsse und die zu investierenden Summen. Daran muss man sich erst gewöhnen. Ich denke aber schon, dass unser Leitfaden auch für andere Fachgruppen von Interesse ist.
Dr. Engelmayer: Abgesehen vom ersten Teil des Leitfadens, in dem wir die Tätigkeit in der ambulanten Radiologie der Tätigkeit in der stationären Radiologie gegenüberstellen, enthalten alle anderen Teile Informationen, die grundsätzlich für einen Praxiseinstieg interessant und relevant sind. Wir würden uns sehr freuen, wenn der Leitfaden auch Kolleginnen und Kollegen anderer Fachgruppen dienlich ist und sie auf dem Weg in die Niederlassung unterstützen kann. Denn wir beide können mit voller Überzeugung sagen: Als niedergelassene Ärztinnen üben wir den schönsten Beruf der Welt aus!
Den Leitfaden „Erfolgreich in die eigene Praxis - Leitfaden für die Selbständigkeit in der Radiologie“ können Sie hier als ePaper lesen. Weitere Informationen zur Publikation erhalten Sie zudem auf der Website des Forums Niedergelassener Radiologen FuNRad.
"Niederlassung und Radiologie" auf dem Deutschen Röntgenkongress
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