INTERVIEW
Drei Jahre Nationale Kohorte: ein Zwischenbericht
Prof. Dr. Fabian Bamberg, Principal Investigator für die MRT-Untersuchung der NAKO Gesundheitsstudie, spricht im Interview darüber, was bisher passiert ist, gibt Einblicke in die Arbeits- und Verfahrensweise dieser großen Langzeit-Bevölkerungsstudie, und erläutert ihre Bedeutung für die Radiologie.
Herr Professor Bamberg, in (möglichst) einem Satz: Was ist die NAKO Gesundheitsstudie (kurz NAKO)?
Die NAKO ist die größte, bevölkerungsbasierte, prospektive Kohortenstudie in Deutschland, von der die Wissenschaft sich wesentliche Erkenntnisse zur Verteilung von Krankheiten und Risikokonstellationen und zur Früherkennung, vor allem auch in Hinblick auf Bildgebung, erhofft.
Vor drei Jahren war Startschuss der NAKO. Was ist seitdem passiert, wo stehen wir heute?
Da hat sich beeindruckend viel getan. Neben der Einrichtung von 18 Studienzentren und dem Einschluss von über 100.000 Teilnehmern in der Gesamtstudie konnten fünf MRT-Bildgebungszentren aufgebaut werden. In diesen wurden bis dato über 12.000 Teilnehmer mittels 3T Scannern untersucht. Daneben wurden die gesamten Prozesse in Hinblick auf Workflow, Datenmanagement und Qualitätssicherung sowie der Umgang mit Zufallsbefunden in der MRT etabliert. Aktuell sind wir dabei, die wissenschaftliche Nutzung der MRT-Bilddaten und den öffentlichen Zugang zu Auswerteprojekten zu optimieren.
Die Radiologie ist stark an der NAKO beteiligt. Was bringt das der NAKO und der Radiologie?
Mein Eindruck ist, dass wir als Radiologen unheimlich viel von der NAKO lernen können und hier auch Standards entwickeln, die unsere klinische Tätigkeit zukünftig prägen werden. Im Vordergrund steht natürlich, dass die umfangreiche MR-basierte Phänotypisierung eine fast unendliche Quelle darstellt, Krankheitsprozesse und Risikokonstellationen besser zu verstehen oder neu zu etablieren – das ist wissenschaftlich höchst relevant. Dazu zählen insbesondere der Zusammenhang mit gleichzeitig erhobenen klinischen Untersuchungen, komplexen Interviews und die bereits begonnene Nachverfolgung aller Teilnehmer. Man kann sich auch gut vorstellen, dass hierdurch neue Indikationen, insbesondere im präventiven Setting entstehen werden. Darüber hinaus werden Maßstäbe von standardisierten Akquisitionen mit geringer interner Variabilität, automatisierten Workflows und Qualitätssicherung, und auch unsere radiologische Befundung etabliert. Ich denke, dass dieser Aspekt auch für uns als Radiologen zunehmend relevant werden wird.
Welche Krankheiten sollen durch die MRT-Untersuchung an 30.000 Teilnehmern der Studie besonders in den Fokus genommen werden? Welche Erkenntnisse verspricht man sich davon?
Das MRT-Untersuchungsprotokoll, welches wir etabliert haben, ist ziemlich umfangreich und umfassend aufgebaut. Wir decken hier sowohl neurodegenerative, kardiometabolische, thorakoabdominelle Erkrankungen, aber auch Erkrankungen des muskuloskelettalen Systems ab. Übergeordneter Fokus war immer, die großen Volkserkrankungen besser zu verstehen. Die Erkenntnisse werden ziemlich weitreichend sein, da wir erstmalig auch den Grad von subklinischen Erkrankungen erfassen und somit ein sehr viel besseres Verständnis von Krankheitsprozessen gewinnen. Und diese Erkenntnisse beschränken sich nicht nur auf klinisch manifeste Erkrankungen, sondern wir gewinnen dadurch Einsichten in die komplexen Mechanismen bei der Erkrankungsentstehung als morphologisches Korrelat aus genetischer, umweltbedingter oder lifesyle-assoziierter Disposition.
Es wird betont, dass es sich bei den MRT-Untersuchungen – wie bei allen Untersuchungen im Rahmen der NAKO – um „rein wissenschaftlich ausgerichtete“ Untersuchungen handelt. Was tun Sie, wenn jedoch eindeutig Krankheitsbilder zu erkennen sind?
Unser Vorgehen ist das Ergebnis von vielen Diskussionen unter Einbeziehung von vielen medizinischen Fachrichtungen, aber auch Ethikern und Gesundheitsökonomen. Alle Untersuchungen werden von Fachärzten radiologisch befundet und bei Auffälligkeiten nach strikten Vorgaben den Teilnehmern mitgeteilt. Dabei ist wichtig zu erwähnen, dass nur sehr eindeutige Befunde mitgeteilt werden und wir auch eine spezielle Core Unit an der Universität Heidelberg haben, welche das Vorgehen bei unklaren Befunden, auch unter Befragung eines interdisziplinären Beirats, empfiehlt.
Insgesamt werden nicht nur von 30.000 Studienteilnehmern MR-Bilddaten generiert, sondern auch rund 28 Millionen Bioproben gesammelt und gelagert. Wie gehen Sie mit diesen Daten unter Sicherheitsaspekten um?
In der Tat ist die NAKO ein unvergleichlicher Schatz für die Etablierung und Nutzung der in der Studie genutzten Verfahren, dies betrifft natürlich auch die Bildgebung und damit verbundene Radiomics-Ansätze. Innerhalb der NAKO nimmt die Datensicherheit einen hohen Stellenwert ein. In diesem Kontext möchte ich auf das umfangreiche Datenschutzkonzept verweisen. Detailliere Informationen dazu findet man auf der offiziellen Homepage der Studie unter nako.de > Studienteilnehmer > Informationen zur Studienteilnahme > Datenspeicherung.
Wie erfolgt die wissenschaftliche Auswertung der NAKO-Daten? Können sich interessierte Radiologen daran beteiligen?
Die in der NAKO erhobenen Daten, auch die Bilddaten, stehen der Wissenschaftswelt grundsätzlich frei zur Verfügung. Das ist in der Nutzungsordnung des Vereins Nationale Kohorte e. V. so verankert und es gibt auch schon die Möglichkeit, Daten für bestimmte, sehr eingeschränkte Fragestellungen zu beantragen. Im Laufe des Jahres werden wir auch offizielle Aufrufe lancieren sich aktiv an der Auswertung zu beteiligen.