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DGNR-Pressemitteilung
Schmerzmittel als Belohnung
Eine neue Studie zeigt, was bei der Placebo-Gabe im Gehirn passiert – hilfreiche Aspekte auch für die Arzt-Patienten-Beziehung
Essen, Berlin, im Juli 2015. Der Placebo-Effekt ist eines der spannendsten Forschungsfelder in der Medizin und den Neurowissenschaften. Forscher verstehen heute immer besser, warum Scheinmedikamente zum Beispiel Schmerzen lindern können, obwohl sie keinen Wirkstoff enthalten. Bislang ging man davon aus, dass eine Placebo-Intervention hauptsächlich auf das Frontalhirn und die Schmerzzentren des Gehirns wirkt. Eine aktuelle Untersuchung am Universitätsklinikum Essen hat jetzt gezeigt, dass dabei auch Areale im Gehirn aktiv sind, die den so genannten Belohnungszentren zugewiesen werden. „Das sind dieselben Areale, die auch bei Suchterkrankungen wie etwa der Spielsucht eine Rolle spielen“, sagt Radiologin Dr. Nina Theysohn vom Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie und Neuroradiologie am Universitätsklinikum Essen.
Die Heilkraft des Nichts – Simulation von Schmerzen wie beim Reizdarmsyndrom
Viele Studien haben bereits gezeigt, dass Placebo-Reaktionen durch zentralnervöse Prozesse gesteuert werden, bei denen kognitive Faktoren wie die Erwartungshaltung eine Rolle spielen: Glaubt ein Patient an die Wirkung einer medizinischen Intervention, können Schmerzen effektiver gelindert werden. Dieser Placebo-Effekt beschränkt sich nicht nur auf Medikamente, sondern er funktioniert auch bei anderen Therapien wie Schein-Akupunktur oder sogar Schein-Operationen.
Um zu ermitteln, was bei einer Placebo-Intervention im Gehirn passiert, hat ein Forscherteam am Universitätsklinikum Essen um Radiologin Dr. Nina Theysohn und Prof. Dr. Sigrid Elsenbruch (Institut für Medizinische Psychologie und Verhaltensimmunbiologie) 60 gesunde Probanden untersucht. Sie erhielten ein Placebo-Präparat mit einer positiven Instruktion oder wurden wahrheitsgemäß über die Gabe einer wirkungslosen Kochsalzlösung aufgeklärt. Zur Stimulation von Schmerzen im Magen-Darm-Trakt platzierten die Forscher einen rektalen Ballon. Durch die Dehnung der Darmwand sollten Schmerzen simuliert werden, unter denen etwa Patienten mit Reizdarmsyndrom, Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn leiden. „Das sind Erkrankungen, die nach heutigem Kenntnisstand auch eine psychische Komponente haben und insbesondere mit Stress in Zusammenhang gebracht werden“, erklärt Nina Theysohn.
Per funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRT) wurde anschließend die „Antwort“ des Gehirns auf verschiedene Schmerzreize ermittelt. Diese bildgebende Methode misst die Aktivität eines Hirnareals bei Schmerzen, Reizen oder einem kognitiven Prozess wie etwa einer Denkaufgabe, indem es die Durchblutung des betreffenden Areals mittels hochsensitiver Sequenzen abbildet. Zudem dokumentierten die Forscher, wie hoch jeweils die Erwartung der Probanden war, dass ihnen das Medikament bei der Bewältigung der Schmerzen helfen würde.
Schmerzmittel werden als Belohnung empfunden – Wichtig für die Kommunikation mit den Patienten
Hatten Probanden in der Placebo-Gruppe eine hohe Medikamentenerwartung, aktivierten sie die so genannten Belohnungszentren des Gehirns (Nucleus accumbens und Mittelhirn). Eine niedrige Erwartung führte hingegen zu Aktivierungen in den klassischen Schmerzzentren (Thalamus, Cingulum, Insula, präfrontraler Cortex). „Diese Ergebnisse weisen darauf hin, dass der Placebo-Effekt eben nicht nur über die Schmerz- und Angst-assoziierten Bereiche des Gehirns reguliert wird, sondern auch über die andere Komponente: Wenn Menschen denken, dass ein Medikament gut wirkt, empfinden sie das als Belohnung. Sozusagen: das Medikament als eine Art „goody“. Es handelt sich also eher um ein Zusammenspiel von Schmerz- und Belohnungsarealen“, sagt Theysohn.
Die Erkenntnisse sind ein weiterer Hinweis darauf, wie folgenreich eine gute Arzt-Patienten-Kommunikation ist. „Positive Erwartungen in einem Patienten zu erzeugen, ist extrem wichtig. Ärzte sollten ihren Patienten nicht nur sagen: ´Wenn Sie dieses Medikament nehmen, haben Sie vielleicht etwas weniger Schmerzen’ oder den Fokus des Gesprächs auf ein mögliches Therapieversagen oder mögliche Nebenwirkungen legen. Patienten sollten vielmehr das Gefühl haben, dass sie jetzt eine effektive Therapie erhalten, die auch schon vielen anderen geholfen hat“, sagt Nina Theysohn.